Entscheidungsstichwort (Thema)
sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Anhörungspflicht. bewusster Verfahrensfehler. rechtzeitige Nachholung. Heilung. Rentenentziehungsverfahren. vorläufige Rente. Dauerrente. Frist gem § 62 Abs 2 S 1 SGB 7
Orientierungssatz
Unterlässt der Unfallversicherungsträger in einem Rentenentziehungsverfahren zunächst bewusst eine notwendige Anhörung gem § 24 Abs 1 SGB 10, um damit dem Ablauf der Frist gem § 62 Abs 2 S 1 SGB 7 zuvorzukommen, steht dieser Umstand einer ordnungsgemäßen Nachholung mit heilender Wirkung gem § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB 10 nicht entgegen (Abweichung von BSG vom 23.8.2005 - B 4 RA 29/04 R = SozR 4-2600 § 313 Nr 4).
Nachgehend
Tenor
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Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 31.08.2005 wird zurückgewiesen. |
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Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. |
3. |
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Die Revision wird zugelassen. |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung einer Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Die 1947 geborene Klägerin erlitt am 08.06.2000 als Mitarbeiterin im Zustelldienst der Deutschen Post AG einen Arbeitsunfall. Als sie über den Posthof zu ihrem Dienst-PKW gehen wollte, kam sie zu Fall und zog sich unter anderem eine Kahnbeinfraktur links zu. Auf dieser Grundlage entwickelte sich eine sympathische Reflexdystrophie links. Die Klägerin kehrte nicht mehr in ihre Tätigkeit als Postzustellerin zurück. Der Postbetriebsarzt hielt die Klägerin für dauernd dienstunfähig, weshalb sie seit dem 01.05.2001 eine Betriebsrente bezieht.
Im ersten Rentengutachten vom 09.07.2001 stellte der Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie R. W eine voraussichtlich bis zum 07.06.2002 andauernde Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vH fest. Es finde sich bei der Klägerin noch eine deutlich sichtbare Schwellung des linken Handgelenks und des linken Handrückens sowie eine deutliche Bewegungseinschränkung des linken Handgelenks und der Finger mit Bewegungsschmerzen sowie eine Einschränkung der Unterarmumwendbewegung mit Bewegungsschmerz. Die ehemalige naviculare Fraktur sei radiologisch kaum noch sichtbar und fest verheilt. Klinisch bestehe jedoch nach wie vor die Symptomatik einer sympathischen Reflexdystrophie mit Bewegungseinschränkung der Hand- und Fingergelenke bei Umfangsvermehrung und leicht erhöhter Hauttemperatur und vermehrter Hautfeuchtigkeit. Die Gebrauchsfähigkeit der linken Hand sei dadurch auf ein Minimum eingeschränkt.
Mit Bescheid vom 26.07.2001 erkannte die Beklagte den Unfall vom 08.06.2000 als Arbeitsunfall an und gewährte ab 01.06.2001 eine Verletztenrente als vorläufige Entschädigung nach einer MdE von 30 vH. Als Folgen des Versicherungsfalls wurden anerkannt:
Nach knöchern fest verheiltem Kahnbeinbruch der linken Hand bestehende Symptomatik einer posttraumatischen sympathischen Reflexdystrophie mit Bewegungseinschränkung der linken Hand und der Fingergelenke, Umfangsvermehrung der linken Hand und des Handgelenkes, belastungs- und bewegungsabhängige Schmerzen.
Auf Veranlassung der Beklagten erstellten Prof Dr G und Dr Gi in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik L - Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie - das zweite Rentengutachten. Auf Grund einer Untersuchung der Klägerin am 01.04.2003 kamen die Sachverständigen zu dem Ergebnis, dass als Unfallfolgen noch bestanden:
Deutlich eingeschränkte Kraft im Grobgriff, deutlich eingeschränkte Handgelenksbeweglichkeit links in Extension, Flexion sowie Radio-Ulnar-Adduktion, eingeschränkte Daumengelenksbeweglichkeit, persistierende Schmerzen.
Als unfallunabhängige Erkrankungen wurden
eine chronische Depression mit antidepressiver Medikation sowie ein Trockenekzem an D 1 und D 2 streckseitig links, ein Zustand nach Oberschenkelfraktur links sowie eine Außenbandläsion des rechten oberen Sprunggelenks angegeben. Die klinische Untersuchung und die objektivierbaren Befunde stünden in keinerlei Zusammenhang zu den geschilderten subjektiven Beschwerden. Das Bewegungsausmaß des linken Handgelenkes sei passiv deutlich größer als das auf dem Messblatt angegebene aktive Bewegungsmaß. Die Fraktur sei fest und sicher in fast anatomisch korrekter Position verheilt. Hinweise auf eine sympathische Reflexdystrophie fänden sich nicht. Die geschilderte Beschwerdesymptomatik liege nicht führend auf handchirurgischem Gebiet. Im nervenfachärztlichen Zusatzgutachten führt der Arzt für Neurologie und Psychiatrie B. auf Grund einer Untersuchung der Klägerin vom 01.04.2003 aus, bei der Klägerin liege aus nervenfachärztlicher Sicht eine sympathische Reflexdystrophie des linken Armes und der linken Hand bei Zustand nach Scaphoidfraktur links vor. Eine unfallbedingte MdE ergebe sich daraus nicht. Bei den einzelnen neurologischen Untersuchungen hätten sich keine krankheitswertigen Befunde gefunden. Im psychischen Untersuchungsbefund gibt der Sachverständige an, die Stimmungslage sei insgesamt...