Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Eingliederungshilfe. keine Kostenübernahme eines Internetzugangs. Barbetrag. Leistungsausschluss. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Ein Anspruch auf Übernahme der laufenden Internetkosten kann sich lediglich aus § 54 Abs 1 SGB 12 iVm § 55 Abs 2 Nr 7 und § 58 SGB 9 ergeben.
2. Im Rahmen des § 58 Nr 1 SGB 9 kommen hinsichtlich der Förderung des Umgangs mit nicht behinderten Menschen grundsätzlich auch Leistungen für die Kosten eines Telefons und Internetkosten in Betracht.
3. Der Barbetrag gem § 35 SGB 12 enthält in erheblichem Umfang Anteile zur Deckung des Bedarfs der Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben. Im Rahmen des dem Barbetrag zugrunde liegenden Regelsatzes war bereits von Anfang an im Bereich Kommunikation ein Anteil von 30,34 € vorgesehen.
4. Die Leistungen des Regelsatzes gem § 28 SGB 12 bzw der Regelleistung nach § 20 SGB 2 schließen grundsätzlich Leistungen nach § 54 SGB 12 iVm §§ 55 Abs 2 Nr 7, 58 SGB 9 für laufende Leistungen der Internet-Nutzung aus (vgl LSG Essen vom 17.10.2008 - L 19 AL 11/08).
5. Der gewährte Barbetrag ist geeignet, das grundrechtlich gewährleistete Existenzminimum abzudecken (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua = BVerfGE 125, 175).
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mainz vom 16.10.2009 - S 5 SO 5/08 - aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Übernahme der Kosten für einen Internetzugang durch den Beklagten.
Der 1987 geborene Kläger leidet an einer infantilen Zerebralparese in Form einer spastischen Tetraparese mit progressiver Torsionsskoliose und ist aufgrund stark überschießender Bewegungen auf einen Rollstuhl angewiesen, an dem seine Beine fixiert werden. Außerdem ist er lernbehindert. Die Pflegstufe I ist festgestellt. Er absolvierte seit 2006 eine Maßnahme der Bundesagentur für Arbeit im Berufsbildungsbereich der Werkstätte für behinderte Menschen der Diakonie Werkstätten B. Derzeit ist er im Arbeitsbereich EDV der Werkstätte beschäftigt und arbeitet hauptsächlich in der Musikbearbeitung. Dafür erhält er monatlich etwa 80 € zusätzlich. Untergebracht ist er im Wohnheim der K Diakonie in B. Die Kosten der Unterbringung trägt der Beklagte im Rahmen der Eingliederungshilfe aufgrund des Leistungsbescheides vom 06.09.2006, soweit sie nicht von der Pflegekasse gedeckt sind. Übernommen werden im Rahmen der Unterbringung auch die Fahrkosten zur Teilhabe am kulturellen Leben sowie für Besuchs- und Familienheimfahrten, eine Bekleidungspauschale, die Kosten für Urlaubsfahrten und Freizeitaufenthalte und teilweise Pflegekosten. Fahrten mit dem Fahrdienst muss der Kläger 3 Tage vorher anmelden. Durch den Bescheid wird zudem ein Barbetrag nach § 35 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) gewährt, der ursprünglich 94 € betrug und jetzt ca. 97,00 € monatlich beträgt. Der Kläger hat einen Internetzugang bei der Firma 1&1 und zahlt dafür monatlich rund 30 €. Er nutzt das E-Mail-Programm und Voice over IP (VoIP). Außerdem kommuniziert er in Netzwerken wie "Wer-kennt-wen". Er ist Mitglied in einem Körperbehindertenverein und nutzt dort ein Kommunikationsforum.
Mit Schreiben vom 22.08.2007 beantragte der Kläger eine "Teilkostenübernahme" für Internetkosten in Höhe von monatlich etwa 30,00 €. Das Internet ermögliche ihm die Teilnahme am Leben in der Gesellschaft, z.B. als Informationsquelle im sozialpolitischen Bereich. Außerdem nutze er es für soziale Kontakte zu Freunden und es mache ihn von Fremdhilfe unabhängiger. Er verwies auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts (VG) Stuttgart vom 16.02.2006 (Az.: 12 K 5442/04).
Durch Bescheid vom 24.08.2007 lehnte der Beklagte die Bewilligung ab. Der Barbetrag von 94,00 € enthalte auch alle Aufwendungen, die der Befriedigung des Bedürfnisses auf Erhalt der Beziehung mit der Umwelt, nach Information zur allgemeinen Bildung sowie zur Teilnahme am kulturellen und politischen Leben in angemessenem Umfang dienen. Die Kosten für eine Internet-Flatrate betrügen durchschnittlich weit unter 20,00 € und könnten aus dem Barbetrag gedeckt werden.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 13.09.2007 Widerspruch ein. Die Eingliederungshilfe sei neben dem Barbetrag möglich. Die Kostenübernahme sei erforderlich, da er als Sozialhilfeempfänger mit Schwerbehinderung nicht dauerhaft von der Entwicklung in der Gesellschaft abgekoppelt werden dürfe. Das Internet ermögliche eine Kontaktaufnahme, ohne dass andere von seiner Behinderung erfahren würden.
Durch Widerspruchsbescheid vom 29.10.2007 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Anders als beim Urteil des VG Stuttgart beziehe der Kläger keine Hilfe zum Lebensunterhalt, sondern den Barbetrag, der gerade für die Deckung der geltend gemachten Kosten eingesetzt werden solle.
Der Kläger hat am 29.11.2007 hiergegen zunächst beim Sozialgericht für das Saarland Klage erhoben, das die Klage durch Besch...