Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Ordnungsgeldbeschluss. Übernahme der außergerichtlichen Kosten durch die Landeskasse bei erfolgreicher Beschwerde des trotz angeordnetem persönlichen Erscheinen ausgebliebenen kostenprivilegierten Beteiligten. Bestreiten des Zugangs der Ladung. Freibeweis. Sinn und Zweck von § 141 Abs 3 ZPO. Ermessen. Aufklärung des Sachverhalts
Leitsatz (amtlich)
Die außergerichtlichen Kosten eines Beschwerdeverfahrens, in dem sich ein Beteiligter eines für ihn nach § 183 SGG gerichtskostenfreien Verfahrens erfolgreich gegen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes nach § 202 SGG in Verbindung mit § 141 Abs 3 ZPO wegen der Nichtbefolgung der Anordnung, persönlich zu einem Gerichtstermin zu erscheinen, wendet, sind in entsprechender Anwendung von § 46 OWiG iVm § 467 Abs 1 StPO von der Landeskasse zu übernehmen.
Orientierungssatz
1. Bei der Überprüfung der Behauptung des mit Anordnung zum persönlichen Erscheinen geladenen Beteiligten, die Ladung nicht erhalten zu haben, ist das Gericht nicht an die allgemeinen Vorschriften über das Beweisverfahren gebunden, sondern entscheidet im Wege des sog Freibeweises (vgl LSG München vom 1.2.2010 - L 2 R 312/09 B unter Bezugnahme auf BSG vom 1.10.2009 - B 3 P 13/09 B = SozR 4-1500 § 62 Nr 12).
2. Sinn und Zweck der Vorschrift des § 141 Abs 3 ZPO ist nicht, eine vermeintliche Missachtung des Gerichts zu ahnden, sondern die Aufklärung des Sachverhalts zu fördern. Maßgeblich ist, ob sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der zuständige Richter sich bei seiner Entscheidung zur Anordnung des persönlichen Erscheinens von der Vorstellung hat leiten lassen, es bedürfe weiterer Sachverhaltsaufklärung, weil die Sache noch nicht entscheidungsreif sei.
Normenkette
ZPO § 141 Abs. 2-3; SGG § 63 Abs. 1 S. 2, §§ 183, 191 S. 1, § 202; StPO § 467 Abs. 1; OWiG § 46; BGB § 130
Tenor
Der Ordnungsgeldbeschluss des Sozialgerichts Halle vom 25. Juni 2013 wird aufgehoben.
Die Landeskasse hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgelds in Höhe von 300,00 EUR in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, in dem er die Zustimmung zu einem Umzug und die Übernahme einer Mietkaution begehrte.
Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) durch den Antragsgegner des dem Ordnungsgeldbeschluss zugrunde liegenden Verfahrens. Seit Dezember 2012 wohnte er in einer Wohnung unter der Anschrift M-gasse in N. Die Bruttowarmmiete für diese Wohnung belief sich auf monatlich 332,00 EUR. Der Antragsgegner berücksichtigte 321,15 EUR. Die über diesem Betrag liegenden Kosten erachtete er als unangemessen. Nach dem Vorbringen des Beschwerdeführers hatte dieser nach dem Einzug massive Feuchtigkeit und Schimmel festgestellt und deren Beseitigung durch seinen Vermieter vergeblich verlangt.
Am 8. März 2013 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung der Zusicherung zur Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung einer Wohnung am H.-v -St.-P. im selben Ort. Der Antragsgegner lehnte die Erteilung der Zusicherung mit Bescheid vom 18. März 2013 ab und bestätigte seine Entscheidung nach Einlegung eines Widerspruchs durch den Beschwerdeführer durch Widerspruchsbescheid vom 26. März 2013. Die Aufwendungen für die Unterkunft seien nach seinen Verwaltungsrichtlinien zwar angemessen. Eine Mitarbeiterin des Gesundheitsamts habe die Wohnung in der M-gasse aber am 6. März 2013 besichtigt. Diese habe leichte Verfärbungen an den Wänden, jedoch kein massives Schimmelwachstum bestätigt. Da derzeit keine Gesundheitsgefährdung bestehe, sei ein Umzug nicht notwendig.
Nachdem die Wohnung am H.-v.-St -P. anderweitig vermietet worden war, beantragte der Beschwerdeführer am 4. April 2013 die Erteilung der Zusicherung zur Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung einer Wohnung in der G -S -Straße., ebenfalls in N. Nach dem Vortrag des Beschwerdeführers wurde ihm bei dieser Antragstellung mitgeteilt, dass er "sich keine Hoffnungen auf eine Bewilligung seines Antrages machen dürfe".
Ebenfalls am 4. April 2013 stellte der Beschwerdeführer - inzwischen anwaltlich vertreten - beim Sozialgericht Halle den sinngemäß auf die Erteilung der Zusicherung für die Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung zu der Wohnung in der G -S.-Straße und die Übernahme der Mietkaution für diese Wohnung in Höhe von 478,00 EUR durch den Antragsgegner gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren.
Mit Verfügung vom 2. Mai 2013 beraumte das Sozialgericht unter Anordnung des persönlichen Erscheinens des Beschwerdeführers einen Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage auf den 5. Juni 2013 an. Die Ladung an den Beschwerdeführer wurde mit einfachem Brief ausgeführt. Der Beschwerdeführer und sei...