Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenversicherung (R) Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. September 2022 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) hat.
Die am ... 1964 geborene Klägerin gab nach ihren Angaben den erlernten Beruf des Agrotechnikers wegen der Pflege ihres Kindes auf. Ihr Versicherungsverlauf weist seit Einführung der sozialen Pflegeversicherung Beitragszeiten für eine Pflegetätigkeit aus. Mit Schreiben vom 1. Juni 2021 verwies die Klägerin gegenüber der Beklagten auf ihre Überlastung auf Grund der Pflege ihres Ehemannes mit dem anerkannten Pflegegrad 4.
Die Klägerin war als Verkaufshilfe, Tierpflegerin und Verkäuferin, zuletzt bis Juli 2019 für Backwaren, versicherungspflichtig beschäftigt. Nach ihrem Antrag bei der Beklagten auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung vom 14. August 2019 teilte die Klägerin dort am 18. März 2020 mit, ein Praktikum mit der Perspektive einer Festanstellung zu absolvieren, und legte im Folgenden den Arbeitsvertrag vom 10. Dezember 2019 über eine Tätigkeit als Aushilfe in der Produktion von Bruteiern (Absammeln vom Band und Verpackung) ab dem 1. Januar 2020 vor. Der Arbeitsvertrag wurde mit Wirkung ab dem 15. April 2020 von einer vereinbarten Arbeitszeit von 17 Stunden auf 60 bis 80 Stunden pro Monat geändert und zum August 2020 beendet. Vom 1. Juni bis zum 31. August 2021 war die Klägerin in der Hauswirtschaft einer Kinderbetreuungseinrichtung elf Stunden wöchentlich tätig.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag unter Hinweis auf ein Leistungsvermögen der Klägerin von mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche ab (Bescheid vom 12. Mai 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Januar 2022). Die Beklagte stützte sich hierbei im Wesentlichen auf das Gutachten der Fachärztin für Neurologie/Psychiatrie/Psychotherapie Dr. S. vom 5./8. März 2021, in dem unter Angabe der Diagnosen depressive Störung, leichtgradig in Teilremission, und klassische Migräne ein Leistungsvermögen der Klägerin in körperlich leichten und intellektuell einfachen Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in Tagschicht von sechs Stunden und mehr täglich festgestellt wurde. Zu vermeiden seien Arbeiten unter Zeitdruck, im Akkord und in Nachtschicht.
Auf die am 18. Januar 2022 bei dem Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobene Klage hat das Sozialgericht Befundberichte von dem Facharzt für Orthopädie Dr. L. vom 17. März 2022 nach einer letzten Vorstellung der Klägerin dort am 1. September 2021, von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie S. vom 30. März 2022 und von der Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. K. vom 8. April 2022 eingeholt. Frau S. hat als Diagnosen nach einer letzten Konsultation durch die Klägerin am 2. März 2022 eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig teilremittiert, ein Halswirbelsäulen-Syndrom, chronische Spannungskopfschmerzen und einen neu hinzugetretenen Diabetes mellitus mitgeteilt. Eine Belastbarkeit der Klägerin auf dem ersten Arbeitsmarkt über sechs Stunden sehe sie durch die äußeren Belastungsfaktoren (Pflege des Ehemannes, zusätzliche Belastung durch die Behinderung der Tochter und die anhaltende Wirkung der Kindheitserfahrungen) als nicht gegeben an. Eine Belastbarkeit von drei Stunden sei dagegen möglich. Dr. K. hat angegeben, auf Grund der aktuellen gesundheitlichen und privaten Situation sei die Klägerin bis auf Weiteres nicht voll leistungsfähig. Zu den Einzelheiten wird im Übrigen auf Blatt 38 bis 40, 42 bis 44 und 45 bis 56 der Gerichtsakte Bezug genommen.
Mit Urteil vom 8. September 2022 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme könne die Klägerin unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein. Die von der Klägerin geschilderten Beeinträchtigungen seien nach Auffassung der Kammer nicht in der Person der Klägerin gesundheitsbedingt begründet, sondern bestünden auf Grund äußerer Umstände. Die von der Klägerin erbrachten Pflegeleistungen für ihren Ehemann führten nach den fachärztlichen Einschätzungen der Gutachterin Dr. S. und der Fachärztin für Psychiatrie S. nicht zu einer Einschränkung des Leistungsvermögens in zeitlichem Umfang aus psychiatrischen Gründen. Auf der ermittelten umfangreichen und breiten Datengrundlage halte die Kammer diese Einschätzung der Leistungsfähigkeit für schlüssig, in sich widerspruchsfrei und überzeugend. Eine körperlich leichte und geistig einfache Arbeit im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen sei der Klägerin zumutbar. Weite...