Entscheidungsstichwort (Thema)

Beweisanforderungen an den vorsätzlichen tätlichen Angriff zur Gewährung von Opferentschädigung

 

Orientierungssatz

1. Zur Begründung eines Anspruchs auf Opferentschädigung müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 OEG voll bewiesen sein. Dazu muss der angeschuldigte Angriff nachgewiesen sein. Sind mehrere Geschehensabläufe möglich, dann ist die Beweisregel des Anscheinsbeweises ausgeschlossen. Dies gilt auch dann, wenn eine von mehreren Möglichkeiten, die für den beweisbelasteten Beteiligten günstiger wäre, wahrscheinlicher als eine andere erscheint (BSG Urteil vom 10. Dezember 2003, B 9 VG 3/02 R).

2. Die Beweiserleichterung des § 15 KOVVfG ist u. a. dann anwendbar, wenn für den schädigenden Vorgang keine Zeugen vorhanden sind. Liegen umfangreiche Zeugenaussagen vor, so ist eine i. S. der Grundsätze des § 15 KOVVfG bestehende Beweisnot nicht gegeben.

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist, ob der Kläger Anspruch auf Leistungen nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) hat.

Am 11. November 2008 beantragte der am ... 1970 geborene Kläger über die zuständige IKK Sachsen bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem OEG. Die Krankenkasse teilte mit, es könnte möglicherweise ein entschädigungspflichtiger Tatbestand im Sinne des OEG vorlegen. Sie habe aus Anlass der Schädigungsfolgen Leistungen erbracht, deren Erstattung sie hiermit anmelde. Nach den Ermittlungen des Beklagten wurde der Kläger am 4. Februar 2008 auf dem Marktplatz in K. durch einen gezielten Schlag verletzt, bei dem er zu Boden ging und mit dem Kopf auf die Pflastersteine aufschlug und bewusstlos wurde. Im Vorfeld der Tat sei er angepöbelt worden. Als er deshalb auf die entsprechende Person zugegangen sei, um die Sache zu klären, habe er völlig unvermittelt und überraschend einen schweren gezielten Schlag erhalten. Verletzungsfolge war eine dreifache Unterkieferfraktur, die in der Mund-Kiefer-Gesichtschirurgie in D. stationär vom 4. bis 7. Februar 2008 behandelt wurde. Der Beklagte zog zur Aufklärung des Sachverhaltes medizinische Unterlagen und die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Dessau (Az. 593 Js 8105/08) bei. Nach der von Amts wegen erstatteten Strafanzeige vom 4. Februar 2008 war es an diesem Tag um 16:15 Uhr auf dem Marktplatz in K. zwischen dem Kläger und Herrn A. T. zu einer tätlichen Auseinandersetzung mit der anschließenden Körperverletzung des Klägers gekommen. Zum Sachverhalt wurden ausweislich der Akten zunächst drei Personen als Zeugen vernommen: K. F., K. T. und S. T. Nach den Feststellungen der Polizei seien beim Eintreffen der Einsatzkräfte der Kläger und Herr T. voneinander getrennt worden. Dabei sei festgestellt worden, dass der Kläger stark aus dem Mund geblutet habe. Bei Herrn T. seien Verletzungen an der rechten Hand festgestellt worden, die vermutlich auf eine Schlaghandlung zurückzuführen seien. Die weiteren vor Ort befindlichen Personen, die allesamt stark alkoholisiert gewesen seien, hätten angegeben, es sei zunächst zu einer verbalen Auseinandersetzung zwischen den beiden Beteiligten gekommen. Daraufhin habe der Kläger den Herrn T. in den Bauch geschlagen und mit Bier übergossen. Infolgedessen habe Herr T. dem Kläger einen Faustschlag ins Gesicht versetzt, der die Verletzung des Klägers in der Mundgegend verursacht haben könnte. Während der polizeilichen Maßnahmen sei der ebenfalls alkoholisierte Kläger zusammengebrochen. Er sei bei Bewusstsein, aber nicht mehr ansprechbar gewesen. Blutproben haben beim Kläger einen Wert von 1,77 Promille um 17:35 Uhr und bei Herrn T. von 2,50 Promille um 17:00 Uhr ergeben. Nach den Angaben der von der Polizei vernommenen Zeugen habe zunächst der Kläger Herrn T. in den Bauch geschlagen und mit Bier übergossen. Anschließend sei er zu Boden gegangen, wobei die Zeugen zu einem gegen den Kläger geführten Schlag oder mehrere Schläge keine genauen Angaben machten. Ein Täter-Opfer-Ausgleich zwischen Herrn T. und dem Kläger sei gescheitert, nachdem der Kläger Herrn T. anhand eines Lichtbildes in der Akte nicht als Beschuldigten habe identifizieren können. Zum Hergang habe der Kläger angegeben, mit Herrn T. in einen Disput (verbaler Schlagabtausch inklusive leichter Handgreiflichkeiten gegenseitig) verwickelt worden zu sein, wobei der Schlag, der den dreifachen Kieferbruch verursacht habe, von der Seite, aus Richtung einer Gruppe von Personen, die in der Nähe gestanden haben, gekommen sei. Herr T. habe zu diesem Zeitpunkt unmittelbar vor ihm gestanden und habe diesen Schlag somit nicht versetzen können. Soweit der Kläger den Schlagenden habe erkennen können, habe es sich bei der seitlich von ihm stehenden Person um einen jüngeren Menschen gehandelt.

Mit Beschluss vom 7. August 2008 stellte die Staatsan...

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