Entscheidungsstichwort (Thema)
Beweiswürdigung bei der Bewilligung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz
Orientierungssatz
1. Versorgung erhält nach § 1 OEG, wer im Geltungsbereich dieses Gesetzes infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.
2. Die im Verfahren nach dem OEG häufig auftretenden Beweisschwierigkeiten rechtfertigen keine generelle Beweiserleichterung oder gar eine Beweislastumkehr. Es gilt sowohl der Beweis des ersten Anscheins als auch die Beweiserleichterung nach § 15 KOVVfG.
3. Die Tatbestandsverwirklichung der Körperverletzung ist zwar ein Indiz für die Rechtswidrigkeit des Angriffs i. S. eines Anscheinsbeweises. Kommt aber der Rechtfertigungsgrund der Notwehr ernsthaft in Betracht, so ist ein rechtswidriger Angriff auch nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises nicht nachweisbar.
4. Wer den tätlichen Angriff eines anderen konkret voraussieht, diesem aber trotz der einfachen Möglichkeit hierzu nicht ausweicht, sondern ihm bewusst entgegentritt, kann nicht verlangen, dass der Staat für die Folgen der späteren Verletzung eintritt.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.04.2006 geändert und die Klage abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger zu 1) ein Versorgungsanspruch nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zusteht.
Der 1961 geborene Kläger zu 1) stellte am 02.10.2001 bei dem Beklagten den Antrag, ihm Versorgung nach dem OEG zu gewähren. Wegen eines Vorfalls am 09.12.2000 habe er seinen Geruchssinn vollständig verloren und Erinnerungsprobleme. Er sei an diesem Tag auf dem Weg nach Hause von Herrn I G grundlos überfallen und zusammengeschlagen worden. Anschließend habe er keine Erinnerung mehr.
Der Beklagte holte einen Bericht des Neurologischen Therapiezentrums E vom 05.11.2001 mit weiteren Arztberichten und einen Bericht der Neurologin/Psychiaterin Dr. C vom 02.11.2001 ein. Weiter zog er die Akten der Staatsanwaltschaft Mönchengladbach (104 Js 390/01), u.a. mit Vernehmungsprotokollen des Zeugen L und der Zeugin T bei. Das Amtsgericht Grevenbroich lehnte den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Eröffnung des Verfahrens gegen G mit Beschluss vom 10.12.2002 ab (Az: 5 Ds 118/02), da kein hinreichender Tatverdacht für eine vorsätzliche Handlung des G bestehe. Es sei nicht zu widerlegen, dass G in Notwehr gehandelt habe. Anschließend ließ der Beklagte ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. C1 erstellen. Dieser kam in seinem Gutachten vom 14.11.2002 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger als Schädigungsfolgen
1. eine Frontalhirnverletzung mit Verminderung der Gefühlskontrolle und konzentrativen Defiziten und
2. ein Geruchsverlust vorlägen.
Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) sei im ersten Unfalljahr mit 50 v.H., im 2. und 3. Unfalljahr mit 30 v.H. einzuschätzen.
Mit Bescheid vom 16.12.2002 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Versorgung nach dem OEG ab, da sich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1 OEG nicht zweifelsfrei feststellen ließen.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 07.01.2003 Widerspruch ein und verwies auf die sofortige Beschwerde, die er gegen den Nichteröffnungsbeschluss des Amtsgerichts in der Strafsache erhoben habe. Auf die Beschwerde ordnete das Landgericht Mönchengladbach mit Beschluss vom 04.06.2003 (Az: 12 Qs 24/03 (4)) die Einholung eines rechtsmedizinischen Gutachtens von Prof. Dr. C2 sowie die Vernehmung der Zeuginnen D G und H T1 an. In seinem Gutachten vom 05.11.2003 führte der Sachverständige aus, dass die Verletzungen des Klägers mit den Schilderungen des G zum Tathergang in Einklang gebracht werden könnten. Alle Verletzungen ließen sich auf eine einzige Gewalteinwirkung am Hinterkopf zurückführen, die durch einen ungebremsten Sturz verursacht worden sein könnten. Als mitursächlich für den nicht abgefangenen Sturz auf den Hinterkopf sei aus rechtsmedizinischer Sicht die starke Alkoholisierung des Klägers anzusehen. Nach richterlicher Vernehmung der Zeuginnen wies das Landgericht die Beschwerde gegen den Nichteröffnungsbeschluss zurück. Es sei dem Angeklagten G nicht zu widerlegen, dass dieser in Notwehr gehandelt habe.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2004 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.
Der Kläger hat am 22.12.2004 Klage beim Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Mit Schreiben vom 20.01.2005 hat der Kläger zu 2) dem Gericht mitgeteilt, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers zu 1) eröffnet worden sei (Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 29.12.2004). Er hat das Verfahren aufgenommen soweit Leistungen auf Berufsschadensausgleich in Frage stünden.
Das SG hat die Zeugen G und T vernommen.
Anschließend hat es der Klage ...