Entscheidungsstichwort (Thema)

Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Behebung fehlender Wegefähigkeit. Teilhabeleistungen nach der KfzHV. Zusicherung

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Behebung fehlender Wegefähigkeit reicht es nicht aus, Teilhabeleistungen der Kfz-Hilfeverordnung (KfzHV) für den Fall einer Arbeitsaufnahme nur zu stellen. Vielmehr muss bereits eine Bewilligung derartiger Leistungen erfolgen. In Fällen, in denen noch kein konkreter Arbeitsplatz für den Betroffenen zur Verfügung steht, können Teilhabeleistungen so konkret zugesichert werden, dass damit die Wegeunfähigkeit beseitigt wird. Es können sowohl unmittelbar bewilligte Leistungen, aber auch Zusicherungen nach § 34 SGB X ausreichen, wenn sie hinreichend konkret und vorbehaltlos sind (vgl BSG vom 12.12.2011 - B 13 R 21/10 R und B 13 R 79/11 R = BSGE 110, 1 = SozR 4-2600 § 43 Nr 17).

 

Tenor

Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 9. Dezember 2019 sowie der Bescheid der Beklagten vom 7. November 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Januar 2017 werden abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin vom 1. Dezember 2015 bis zum 31. Januar 2020 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Klageverfahren in voller Höhe und im Berufungsverfahren zu einem Zehntel zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob die Klägerin einen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) hat.

Die am ... 1962 geborene Klägerin absolvierte nach ihrem Achte-Klasse-Schulabschluss von 1978 bis 1981 eine abgeschlossene Ausbildung zur Gärtnerin. In diesem Beruf arbeitete sie anschließend bis 1991. Danach war sie bis 2001 arbeitslos, unterbrochen durch kurzzeitige Beschäftigungen in einem Forstbetrieb sowie im Garten- und Landschaftsbau. Von 2001 bis 2004 war sie als Feldarbeiterin in einem Forstbetrieb beschäftigt. Seit 2005 ist die Klägerin aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung arbeitslos und erhält seitdem Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II). Seit dem 5. Februar 2016 ist bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 mit dem Merkzeichen G festgestellt. Diese Entscheidung stützt sich auf folgende Funktionsbeeinträchtigungen: Künstliche Kniegelenke beidseits, Fußheberschwäche rechts, Bypass-Operation und Muskelschädigung rechter Unterschenkel, Wundheilungsstörung.

Am 31. August 2016 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie halte sich seit dem 18. November 2015 für erwerbsgemindert, nachdem sich nach einer Operation am Knie eine Thrombose gebildet habe.

Die Beklagte zog zunächst ärztliche Unterlagen bei, darunter den Bericht des Klinikums M., Klinik für Gefäßchirurgie, über die dortige stationäre Behandlung vom 21. November 2015 bis zum 4. Januar 2016. Darin ist ausgeführt, dass bei der Klägerin am 18. November 2015 im Krankenhaus G. eine Schlittenprothese am rechten Kniegelenk implantiert wurde. Bereits postoperativ habe die Klägerin über Schmerzen am rechten Bein geklagt. Am 20. November 2015 erfolgte die Verlegung in das Klinikum M.., wobei die Klägerin primär unfallchirurgisch vorgestellt wurde. Es habe sich ein ausgeprägtes Kompartment-Syndrom mit Fußheberschwäche rechtsseitig und ausgeprägter Sensibilitätsstörung gezeigt. Am gleichen Tag wurde eine notfallmäßige Spaltung aller vier Unterschenkelkompartmente bei ausgeprägtem Unterschenkel-Kompartment-Syndrom rechts durchgeführt. Am folgenden Tag, dem 21. November 2015, erfolgte ein gefäßchirurgisches Konzil, wobei bei persistierenden Sensibilitätsstörungen mit Fußheberschwäche rechts nach Kompartment-Spaltung eine notfallmäßige Computertomografie (CT)-Angiografie durchgeführt wurde. Diese ergab die Notwendigkeit einer notfallmäßigen gefäßchirurgischen Rekonstruktion. Nach notfallmäßiger Vorbereitung und Aufklärung erfolgte noch am 21. November 2015 eine Thrombektomie der Aorta poplitea im P2- sowie im P3-Segment, eine selektive Thrombektomie der Aorta tibialis anterior, Aorta tibialis posterior sowie der Aorta fibularis, die Entnahme der Vena saphena magna vom rechten Oberschenkel und proximalen Unterschenkel, die Implantation eines P1-/P3-Venasaphenamagna-Bypasses (Reversed) sowie die Implantation eines kurzstreckigen P3-Aortatibialisposterior-Bypasses (Vena saphena magna Reversed) rechts. Die Klägerin wurde am 4. Januar 2016 in gutem Allgemeinzustand in die weitere ambulante Behandlung entlassen, wobei die Anschlussheilbehandlung von dort organisiert worden sei (Antrag der Klägerin vom 21. Dezember 2015).

Vom 7. bis zum 28. Januar 2016 befand sich die Klägerin zur Anschlussrehabilitation in der M Klinik K... Dem Rehabilitationsentlassungsbericht vom 1. Februar 2016 sind folgende Diagn...

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