Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Erstattungsanspruch des Landes Sachsen-Anhalt gegen einen örtlichen Sozialhilfeträger. unberechtigte Abforderung von Bundesmitteln. Bewilligung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt. nachträgliche Feststellung einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung
Leitsatz (amtlich)
Zum Ausgleich von Geldleistungen nach Maßgabe des Landesrechts im Rahmen der Erstattung durch den Bund gemäß § 46a SGB XII bei nachträglicher Feststellung einer dauerhaften vollen Erwerbsminderung iS von § 41 Abs 3 SGB XII und Bewilligung und Auszahlung von Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII.
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 3. November 2021 aufgehoben, soweit der Beklagte für den Tag des Klageeingangs (27. Juni 2018) zur Zahlung von Zinsen verurteilt worden ist. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Aufrechnung von Erstattungsbeträgen für das erste Quartal 2018 mit solchen für das erste Quartal 2017 in Höhe von 29.740,19 €.
In einer Besprechung bei dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) in Anwesenheit von Vertretern der Länder und kommunalen Spitzenverbände am 26. Juni 2013 wurde ausweislich des Ergebnisprotokolls vom 18. Juli 2013 zur Anrechnung von Einkommen mit Bezug auf eine Umsetzung „für die Zukunft“ zum Barbetrag nach § 27b Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) die Auffassung des BMAS mitgeteilt, es handele sich hierbei um eine Leistung nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Maßgebend sei also nicht die gleichzeitige Zugehörigkeit des jeweiligen Hilfebedürftigen zum Personenkreis im Sinne des Vierten Kapitels des SGB XII. Diese Auslegung ergebe sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 15. November 2012 (- B 8 SO 25/11 R -). Unter TOP 2 wurden im Übrigen Abrufe und Nachweise nach §§ 46a, 136 SGB XII und die Zuordnung des Barbetrages nach § 27b SGB XII angesprochen. Zu dem Ergebnisprotokoll wird im Übrigen auf Blatt 1 bis 6 der Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Bis zum 18. April 2017 stellte der Kläger in die Anmeldung der Erstattung gegenüber dem beklagten Land auf der Grundlage von § 46a SGB XII auch Aufwendungen ein, die er - der Kläger - als örtlicher Sozialhilfeträger nach dem Dritten Kapitel des SGB XII bewilligt hatte, soweit sich nachfolgend eine volle Erwerbsminderung auf Dauer, d.h. rückwirkend eine Leistungsberechtigung nach dem Vierten Kapitel des SGB XII, ergab. Zumindest bis Ende des Jahres 2016 wurden dem Beklagten vom Bund auf der Grundlage von § 46a SGB XII auch solche Beträge erstattet, die auf zunächst nach dem Dritten Kapitel des SGB XII oder dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Grundsicherung für Arbeitsuchende - SGB II) bewilligten Leistungen für Hilfebedürftige beruhten, für die nach der Leistungsbewilligung eine volle Erwerbsminderung auf Dauer festgestellt wurde. Der Beklagte teilte dem BMAS hierzu in einer E-Mail vom 12. April 2017 einen Handlungsbedarf „hinsichtlich der in sich widersprüchlichen Auffassung des Bundes“ mit. Die Darstellung des Bundes zu einer bundeseinheitlichen und schlüssigen Umsetzung von Korrekturen zu Lasten oder zu Gunsten des jeweiligen Beteiligten sei daher unerlässlich.
Unter dem Betreff „Bundesauftragsverwaltung Viertes Kapitel SGB XII/Rundschreiben 2017/2 - Erstattung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII nach § 46a SGB XII“ reagierte das BMAS mit Schreiben vom 19. April 2017, das nachrichtlich auch den kommunalen Spitzenverbänden zugeleitet wurde, auf Anfragen einiger Länder zur Erstattungsfähigkeit von Geldleistungen nach § 46a SGB XII. Dabei sei es um folgende drei Fallgestaltungen gegangen,
„in denen:
„Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel des SGB XII (Hilfe zum Lebensunterhalt) bewilligt wurde, obgleich die Voraussetzungen für eine Leistungsgewährung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII (Grundsicherung) bereits bei Bekanntgabe des Bescheides gegeben waren (Beispiel: Voraussetzungen nach § 41 Absatz 2 SGB XII),
das Erreichen der Altersgrenze (während des Bewilligungszeitraums) nach der Bewilligung und Erbringung von Hilfe zum Lebensunterhalt übersehen wurde,
für Zeiträume, für die bereits Hilfe zum Lebensunterhalt bewilligt und erbracht wurde, nachträglich die dauerhafte volle Erwerbsminderung im Sinne des § 41 Absatz 3 SGB XII festgestellt wurde.“
Nach Abschluss der Prüfungen sei das BMAS zu dem Ergebnis gelangt, dass in diesen Fallkonstellationen keine Erstattungsfähigkeit durch den Bund vorliege. Ausschließlich Nettoausgaben für Geldleistungen im Alter und bei Erwerbsminderung seien den Ländern nach § 46a SGB XII vom Bund zu erstatten. Voraussetzung für die Erstattung sei, dass Geldleistungen der Grundsicherung zum Zeitpunkt der Kassenwirksamkeit der Leis...