Rz. 27

Kürzungsvereinbarungen können grundsätzlich auch Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein.[1] Dabei gehen aufgrund der unmittelbaren und zwingenden Wirkung von Betriebsvereinbarungen (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) die Regelungen der Betriebsvereinbarung den arbeitsvertraglichen Absprachen grundsätzlich vor. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Arbeitsvertrag günstigere Regelungen enthält. Insofern gilt das Günstigkeitsprinzip. Hinsichtlich des Durchschlagens von Kürzungsregelungen auf arbeitsvertraglich vereinbarte Sondervergütungen kann auf die Ausführungen zur Kürzungsvereinbarung im Tarifvertrag verwiesen werden.[2]

Regelungen in Betriebsvereinbarungen über die Zahlung von Sondervergütungen und dementsprechend auch über deren Kürzung haben immer die Regelungssperre des § 77 Abs. 3 BetrVG zu beachten: Soweit tarifübliche Regelungen bestehen, können die Betriebspartner keine wirksame Betriebsvereinbarung treffen. Insoweit gilt auch nicht das Günstigkeitsprinzip zwischen Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen.[3]

 

Rz. 28

Ob die Einführung einer § 4a Satz 2 EFZG entsprechenden Kürzungsregelung der zwingenden Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG), ist fraglich.[4] Für den Ausschluss der Mitbestimmung mag sprechen, dass der Gesetzgeber eine sichere und eindeutige Grundlage für Kürzungsvereinbarungen treffen wollte, sodass das Mitbestimmungsrecht zum Schutz der Arbeitnehmer nicht (mehr) erforderlich ist. Die Interessen der Arbeitnehmer sind vielmehr bereits durch die gesetzliche Regelung in § 4a Satz 2 EFZG gewahrt. Allerdings stellt § 4 Satz 2 EFZG keine zwingende Norm i. S. d. § 87 Abs. 1 Eingangssatz BetrVG dar[5], da er nur eine Möglichkeit eröffnet. Zudem geht es um die Verteilung der Vergütungssumme auf gesunde und kranke Arbeitnehmer. Zu beachten ist jedenfalls, dass die Kürzungsvereinbarung in ihrer rechtlichen Wertigkeit der Rechtsgrundlage der Sondervergütung (mindestens) entsprechen muss. Ist also der Anspruch auf die Sondervergütung in einer Betriebsvereinbarung geregelt, so muss auch die Kürzung in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden. Insofern ist die Beteiligung des Betriebsrats zwingend.[6]

[1] Hanau, RdA 1997 S. 205, 208; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG, 9. Aufl. 2023,§ 4a, Rz. 27.
[2] S. Rz. 25 f.
[3] Kamanabrou, Jura 1999 S. 455, 456.
[4] Verneinend: Hanau, RdA 1997, 205, 208; Schmitt/Küfner-Schmitt, EFZG , 9. Aufl. 2023, § 4a, Rz. 29; Sura, ArbAktuell 2023, 586.
[5] Vgl. zu diesem Erfordernis Engels/Schmidt/Trebinger/Linsenmaier, BetrVG, 2020, § 87, Rz. 32; ErfK/Kania, 24. Aufl. 2024, § 87 BetrVG, Rz. 11.
[6] Henssler/Willemsen/Kalb/Vogelsang, Arbeitsrecht Kommentar, 2020, § 4a EFZG, Rz. 12; Knorr/Krasney, Entgeltfortzahlung-Krankengeld-Mutterschaftsgeld, Stand April 2020, § 4a EFZG, Rz. 12; vgl. auch Salomon/Chwalisz, Entgeltgestaltung, 1. Aufl. 2019, Anwesenheitsprämien und Retention Boni, Rz 81.

Dieser Inhalt ist unter anderem im SGB Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge