Rz. 5
Bei schuldhafter Verletzung der in § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EFZG genannten Obliegenheiten durch den Arbeitnehmer steht dem Arbeitgeber das Recht zu, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts im Krankheitsfall zu verweigern. Zwischen den Leistungsverweigerungsrechten nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 EFZG besteht der grundsätzliche Unterschied, dass der Arbeitgeber bei Vorliegen einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers nach Nr. 1 die Entgeltfortzahlung nur vorläufig ("solange" der Arbeitnehmer seinen Pflichten aus § 5 Abs. 1 und 2 nicht nachkommt) und im Fall der Nr. 2 endgültig ("wenn" der Arbeitnehmer den Übergang eines Schadenersatzanspruchs gegen einen Dritten auf den Arbeitgeber, § 6 EFZG, verhindert) verweigern kann.
2.1 Vorläufiges Leistungsverweigerungsrecht nach Abs. 1 Nr. 1
Rz. 6
Gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG ist der Arbeitgeber berechtigt, die Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu verweigern, solange der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 EFZG vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlegt oder den ihm nach § 5 Abs. 2 EFZG obliegenden Verpflichtungen nicht nachkommt. Es muss daher grundsätzlich entweder
vorliegen.
2.1.1 Verletzung der Nachweispflicht nach § 5 Abs. 1 EFZG
Rz. 7
Gem. § 5 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 EFZG hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage, hat der Arbeitnehmer eine ärztliche Bescheinigung über das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer spätestens an dem darauffolgenden Arbeitstag vorzulegen. Soweit er zu einer früheren Vorlage der Bescheinigung verpflichtet ist, treffen ihn auch die Folgen einer verletzten Nachweispflicht bereits zu diesem früheren Zeitpunkt. Seit dem 1.1.2023 gilt gem. § 5 Abs. 1a EFZG n. F. hinsichtlich der Nachweispflicht für gesetzlich Versicherte, dass diese das Bestehen der Arbeitsunfähigkeit sowie deren voraussichtliche Dauer feststellen und sich eine ärztliche Bescheinigung aushändigen zu lassen haben. An die Stelle der Nachweispflicht tritt damit eine Feststellungspflicht. Regelfall ist also nun die elektronische Meldung nach § 109 SGB IV n. F., die der Arbeitgeber abrufen kann, d. h. die generelle Vorlagepflicht ist entfallen.
Rz. 8
Der Arbeitgeber hat nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG nur ein Leistungsverweigerungsrecht, wenn der im Inland arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer der ihm gem. § 5 Abs. 1 Sätze 2, 4 EFZG obliegenden Verpflichtung zur (rechtzeitigen) Vorlage einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht nachkommt und die Arbeitsunfähigkeit auch nicht anderweitig nachweist. Ein anderweitiger Nachweis der Arbeitsunfähigkeit kann beispielsweise die Vorlage einer behördlichen Quarantäneanordnung sein, die den Arbeitnehmer an der Erbringung seiner Arbeitsleistung hindert.
Zweifel an einer vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sind insoweit nicht ausreichend, solange der Arbeitgeber den Beweiswert nicht erschüttern kann.
Die seit dem 1.1.2023 allein noch vorgesehene elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung kann zu mehrerlei Störfällen führen, in denen der Arbeitgeber zwar keine positive Kenntnis von einem existierenden Arbeitsunfähigkeitsnachweis hat, aber dennoch zur Entgeltfortzahlung verpflichtet ist. Beispielsweise bei verzögerter Weitergabe durch die Arztpraxis oder falscher Adressierung der Krankenkasse handelt es sich nicht um ein solches Fehlen einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, welches ein Leistungsverweigerungsrecht begründen würde. In der Praxis wird dies insbesondere problematisch, wenn Arbeitgeber wegen der Möglichkeit eines solchen Störfalls zunächst Entgeltfortzahlung leisten und sich erst später zeigt, dass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung nicht gegeben waren und daher eigentlich ein Leistungsverweigerungsrecht bestanden hätte.
Rz. 9
An einer Verpflichtung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 EFZG fehlt es, wenn der Arbeitgeber auf die Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verzichtet hat oder diese aufgrund einer von § 5 Abs. 1 EFZG abweichenden Regelung in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung oder im Arbeitsvertrag entbehrlich ist. Eine solche Vereinbarung kann auch stillschweigend zustande kommen, z. B. bei langjährigen und zuverlässigen Mitarbeitern, bei denen der Arbeitgeber auf den Nachweis verzichtet.
Umgekehrt kann die Pflicht zur unveränderten Vorlage eines Nachweises anstelle der Erfüllung der Feststellungspflicht nach § 5 Abs. 1a EFZG nicht wirksam vereinbart oder Gegenstand einer Betriebsvereinbarung werden. Hierbei würde es sich um eine Abweichung von den Grundsätzen des EFZG zum Nachteil des Arbeitnehmers handeln, was § 12 EFZG nicht zulässt.
Rz. 10
Allein die Verletzung der Mitteilungspflicht nach § 5 Abs. 1 Satz 1 EFZG begründet kein Leistungsverweigerungsrecht des Arbe...