Entscheidungsstichwort (Thema)
Elektronische Einlegung der Beschwerde beim unzuständigen Gericht; Weiterleitung
Leitsatz (amtlich)
1. Mit dem Eingang des an das hierfür unzuständige Beschwerdegericht als Empfänger adressierten und gesendeten Schriftsatzes auf dem Intermediär-Server der Bayerischen Justiz ist kein Eingang beim Ausgangsgericht verbunden, bei dem die Verfahrenshandlung fristwahrend vorgenommen werden muss.
2. Bei aktiver Nutzungspflicht des elektronischen Rechtsverkehrs ist eine postalische Weiterleitung nicht geeignet, die wirksame Beschwerdeeinlegung zu bewirken, da es bezogen auf den maßgeblichen Zugang beim nach § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG zuständigen Ausgangsgericht mit dem Eingang lediglich in schriftlicher Form an den Voraussetzungen gemäß §§ 113 Abs. 1 FamFG, 130a Abs. 3, 130d ZPO fehlen würde.
3. Ist die elektronisch beim unzuständigen Gericht eingereichte Beschwerdeschrift qualifiziert elektronisch signiert, führt die elektronische Weiterleitung über die EGVP-Postfächer vom unzuständigen an das zuständige Gericht zu einem insoweit formgerechten elektronischen Eingang bei letzterem, da der Schriftsatz dort mit qualifizierter elektronischer Signatur eingeht.
4. Der elektronische Versand zwischen den Gerichten von beim falschen Gericht elektronisch eingereichten Schriftsätzen an das zuständige Gericht gehörte - jedenfalls bis 09.03.2022 - (noch) nicht zum gewöhnlichen Geschäftsgang.
Normenkette
FamFG § 64 Abs. 1 S. 1, § 113 Abs. 1; ZPO §§ 130a, 130d
Verfahrensgang
AG Aschaffenburg (Aktenzeichen 4 F 715/21) |
Tenor
1. Die Anträge des Antragsgegners auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Beschwerdeeinlegungsfrist werden als unzulässig verworfen.
2. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Endbeschluss des Amtsgerichts Aschaffenburg vom 21.12.2021, Az. 4 F 715/21, wird als unzulässig verworfen.
3. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.532,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Mit Endbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Aschaffenburg vom 21.12.2021 ist der Antragsgegner verpflichtet worden, an die Antragstellerin für die gemeinsamen minderjährigen Kinder K 1, geb. ..., und K 2, geb. ..., ab dem 01.09.2021 jeweils monatlichen Kindesunterhalt zu zahlen sowie Unterhaltsrückstände für den Zeitraum 01.05.2021 bis 31.08.2021. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen (Bl. 104 d.A.).
Der Beschluss ist dem Antragsgegner am 23.12.2021 unter Beifügung einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung (§ 39 FamFG) zugestellt worden.
Mit einem am 21.01.2022 beim Amtsgericht Aschaffenburg eingegangenen Schriftsatz vom 20.01.2022 hat der Antragsgegner beantragt, ihm für eine beabsichtigte Beschwerde gegen diesen Beschluss Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen. Mit Beschluss vom 17.02.2022 hat der Senat die beantragte Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung des Verfahrensbevollmächtigten bewilligt. Der Beschluss ist dem beigeordneten Rechtsanwalt am 25.02.2022 zugestellt worden nach vorheriger formloser Bekanntgabe am 22.02.2022.
Mit einem über sein besonderes elektronisches Anwaltspostfach (beA, vgl. § 31a BRAO i.V.m. §§ 113 Abs. 1 FamFG, 130a Abs. 4 Nr. 2 ZPO) übermittelten und am 23.02.2022 beim Oberlandesgericht Bamberg als Beschwerdegericht eingegangenen Schriftsatz vom 23.02.2022 hat der Verfahrensbevollmächtigte des Antragsgegners Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die versäumte Frist zur Beschwerdeeinlegung beantragt, gleichzeitig Beschwerde eingelegt und diese auch begründet. Der Schriftsatz ist vom Verfahrensbevollmächtigten des Antragsgegners qualifiziert elektronisch signiert worden (Bl. 135 d.A.).
Durch Verfügung des Vorsitzenden vom 24.02.2022 (Bl. 178 d.A.) sind die Beteiligten auf die gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG erforderliche Einlegung der Beschwerde beim Ausgangsgericht hingewiesen worden. Am 15.03.2022 ist die Beschwerdeschrift durch das Beschwerdegericht sodann von Amts wegen dem Ausgangsgericht elektronisch übermittelt worden, wo diese taggleich einging. Mit weiterer Verfügung vom 28.03.2022 (Bl. 229 d.A.) sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass der Eingang der elektronisch übermittelten Beschwerdeschrift beim Amtsgericht am 15.03.2022 nicht innerhalb der zweiwöchigen Frist zur Nachholung der versäumten Verfahrenshandlung gemäß § 236 Abs. 2 Satz 2, § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO erfolgt ist und sich die elektronische Weiterleitung derzeit auch noch nicht als gewöhnlicher Geschäftsgang des Beschwerdegerichts darstellt, auf dessen Einhaltung der einen Schriftsatz einreichende Beteiligte vertrauen kann.
Mit am 31.03.2022 beim Beschwerdegericht eingegangenem Schriftsatz vom 30.03.2022 hat der Antragsgegner daraufhin erneut die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der versäumten Beschwerdeeinlegungsfrist beantragt. Zur Begründung führt er aus, dass für die Wahrung der Form nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 130a ZPO i.V.m. § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG hinreich...