Verfahrensgang
AG Marl (Aktenzeichen 12 F 87/23) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Jugendamts der Stadt N. wird der am 05.05.2023 erlassene Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Marl hinsichtlich der Auswahl des Vormunds für P., V. und J. I. abgeändert.
Zum Vormund für die Minderjährige P. I., geb. am 00.00.2016 wird das Jugendamt der Stadt C. bestellt.
Zum Vormund für die Minderjährige V. I., geb. am 00.00.2019 wird das Jugendamt der Stadt Z. bestellt.
Zum Vormund für den Minderjährigen J. I., geb. am 00.00.2022 wird Frau W. O., X., T.-straße ## - ##, ##### M. bestellt.
Gerichtskosten werden nicht erhoben, außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Die betroffenen Kinder wurden am 23.03.2023 vom Jugendamt der Stadt N. aus dem Haushalt der in N. lebenden Kindeseltern heraus in Obhut genommen und in Wohngruppen bzw. einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht.
Durch am 05.05.2023 erlassenen Beschluss entzog das Amtsgericht - Familiengericht - Marl den Kindeseltern gemäß den §§ 1666, 1666a BGB im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge, ordnete Vormundschaft an und bestellte das Jugendamt der Stadt N. zum Vormund.
Gegen die Auswahl des Jugendamts N. zum Vormund für P., V. und J. richtet sich die fristgerecht eingelegte Beschwerde der Stadt N., mit der sie auf die Zuständigkeitsregelung gemäß § 87c Abs. 3 SGB VIII verweist. Die Kinder seien in unterschiedlichen Städten außerhalb von N. inkognito untergebracht und hätten keinen gewöhnlichen Aufenthalt, so dass sich die Zuständigkeit für das Führen der Amtsvormundschaft nach dem tatsächlichen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Bestellung richte. Die dem Vormund auferlegten Pflichten könnten angesichts der hohen Bedarfe der Kinder durch die Amtsvormundschaft des Jugendamtes N. nicht abgedeckt werden, insoweit seien umfangreiche Kenntnisse über Unterstützungsangebote und spezifische Hilfen für die Kinder vor Ort notwendig, die bei den örtlich zuständigen Jugendämtern vorhanden sein.
Die Kindesmutter ist der Beschwerde entgegengetreten. Da vorliegend ein vorläufiger Entzug des Sorgerechts gegeben sei, sei der Aufbau einer Beziehung des Amtsvormundes zu den Kindern nicht erforderlich, vielmehr sei es - trotz bestehender Entfernungen zu den Wohnorten der Kinder - von Vorteil, wenn die Amtsvormundschaft für die Kinder in einer Behörde liege.
Das Jugendamt der Stadt C. hat sich mit seiner Bestellung als Amtsvormund für P. nicht einverstanden erklärt. Bei der Auswahl der Amtsvormundschaft sei vorrangig das Kindeswohl zu berücksichtigen, namentlich ein häufiger Wechsel der Bezugspersonen zu vermeiden, um eine Kontinuität zu gewährleisten. Solange eine dauerhafte Unterbringung von P. nicht sichergestellt sei, diene der Wechsel der Vormundschaft zum Jugendamt der Stadt C. nicht dem Kindeswohl.
Das Jugendamt der Stadt Z. hat der Übernahme der Vormundschaft für V. zugestimmt.
Das Jugendamt der Stadt N. hat sich den rechtlichen Erwägungen in der Beschwerde zu seiner Zuständigkeit angeschlossen und mitgeteilt, die Vormundschaft für J. nicht übernehmen zu können und als Vereinsvormund Frau O. von der X. vorgeschlagen, die mit ihrer Bestellung einverstanden sei.
Der Kindesvater und die Verfahrensbeiständin haben sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II. Die Beschwerde des Jugendamtes der Stadt N. ist gemäß den §§ 58 ff FamFG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
1. Die in dem angefochtenen Beschluss erfolgte Bestellung des Jugendamts zum Vormund beruht auf § 1774 Abs. 1 Nr. 4 BGB. Das Jugendamt der Stadt N. weist in seiner Beschwerde zutreffend darauf hin, dass sich die örtliche Zuständigkeit für die Amtsvormundschaft nach § 87c Abs. 3 SGB VIII richtet, wonach das Jugendamt zuständig ist, in dessen Bereich das Kind zum Zeitpunkt der Bestellung seinen gewöhnlichen Aufenthalt, hilfsweise seinen tatsächlichen Aufenthalt hat.
Zwar steht dem Familiengericht im Rahmen der Bestellung eines Vormundes ein Auswahlermessen zu. Führt dies jedoch zu dem Ergebnis, dass es der Bestellung des Jugendamts als Amtsvormund bedarf, dann ist - ohne dass dem Familiengericht ein Ermessen hinsichtlich der Auswahl des Jugendamts zusteht - das nach dem SGB VIII örtlich zuständige Jugendamt zu bestellen (vgl. BGH, Beschluss vom 15.09.2021 - XII ZB 231/21 - juris Rn. 19 ff m. w. N., ebenso OLG Celle, Beschluss vom 06.03.2018 - 17 UF 16/18 - FamRZ 2018, 1246 f; Schulte-Brunert in Erman, BGB, 17. Aufl., § 1774 Rn. 5). Insoweit handelt es sich bei den im SGB VIII getroffenen Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit schon nach ihrem Wortlaut um verbindliche Anordnungen, ohne dass ein Auswahlspielraum unter Berücksichtigung des Kindeswohls besteht (vgl. Lange in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VIII, 3. Aufl. Stand 17.03.2023, § 87c Rn. 62).
2. Dem entsprechend ist für P. das örtlich zuständige Jugendamt der Stadt C. und für V. das örtlich zuständige Jugendamt der Stadt Z. zum Vormund zu bestellen.
Bezüglich des Kindes J. hat das Jugendamt der ...