Entscheidungsstichwort (Thema)
Erwerbsobliegenheit der ein weiteres Kind betreuenden Mutter
Leitsatz (redaktionell)
1. Neben der Betreuung eines 11 Jahre alten Kindes mit erheblichen schulischen Defiziten nach dem Wechsel zu einer weiterführenden Schule ist auch unter Berücksichtigung einer möglichen Übermittagsbetreuung in der Schule bis 15.45 Uhr eine Erwerbstätigkeit des gegenüber einem anderen minderjährigen Kind barunterhaltspflichtigen Elternteils von mehr als 30 Stunden wöchentlich nicht zumutbar.
2. § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7 SGB II eröffnet nicht die Möglichkeit eines anrechnungsfreien Hinzuverdienstes in Höhe einer bestehenden Unterhaltsverpflichtung neben dem Bezug von Arbeitslosengeld II, wenn der Unterhaltsanspruch nicht bereits bei Beginn des Bezuges von Arbeitslosengeld tituliert war (entgegen OLG Brandenburg in FamRZ 2008, 3366).
Normenkette
BGB § 1603 Abs. 2; SGB II § 11 Abs. 2 S. 1 Nr. 7
Verfahrensgang
AG Dortmund (Urteil vom 13.11.2008; Aktenzeichen 105 F 2599/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des AG Dortmund - Familiengericht - vom 13.11.2008 abgeändert und die Klage - unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 21.8.2008 - abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger; mit Ausnahme der Kosten der Säumnis, diese trägt die Beklagte vorab.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für die Berufung wird auf 2.175 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien sind seit 1991 verheiratet und leben seit November 2007 getrennt. Der Kläger macht ggü. der am 14.1.1969 geborenen Beklagten Ansprüche auf Zahlung von Mindestunterhalt für das bei ihm lebende gemeinsame Kind X, geboren am 21.10.1992, beginnend ab März 2008 geltend. Das weitere gemeinsame Kind Y, geb. am 9.7.1997, lebt bei der Beklagten.
Die Beklagte war, nachdem sie nach dem Ende der Ausbildung zur Verwaltungsfachangestellten im Landesoberbergamt der Stadt Dortmund, die sie im August 2001 mit der Note ausreichend abschloss, nicht übernommen worden war, zunächst nicht mehr berufstätig. Von April 1995 bis August 1998 arbeitete sie als Reinigungskraft bei der Firma N in E mit einem Verdienst von 800 DM netto. Im Zeitraum von Februar 2001 bis März 2002 war sie im Umfang von 15 Stunden pro Woche als Kassiererin bei der Firma S im Rahmen einer Aushilfstätigkeit zu einem Stundenlohn von 5 EUR netto beschäftigt. Hieran schloss sich bis ins Jahr 2006 - gemeinsam mit dem Kläger - eine Tätigkeit als Gärtnerin für die Hausverwaltung C an. Hierbei nahm die Beklagte vornehmlich die gärtnerisch gestaltenden Arbeiten vor, während der Kläger die schweren Arbeiten - wie das Beseitigen des Gartenabfalls - übernahm. Die Parteien führten diese gärtnerische Tätigkeit, nachdem die Hausverwaltung den Vertrag nicht verlängert hatte, im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit unter dem Namen der Beklagten fort. In diesem Zusammenhang erwarben sie auch ein größeres Fahrzeug vom Typ Opel Zafira nebst Anhänger. Im Zuge der Trennung veräußerte der Kläger den Anhänger und nutzte den Opel Zafira allein. Die Beklagte führte die Gartenarbeiten noch bis zum Ende der Verträge im November 2007 fort. Im Zeitraum von Februar bis zum Ende April 2008 absolvierte die Beklagte ein durch die ARGE vermitteltes Bewerbungstraining. Seit Juni 2008 ist die Beklagte bei der Fa. D für 15-18 Stunden wöchentlich mit einem Stundenlohn von 5,66 EUR im Rahmen eines Minijobs und monatlichen Einkünften i.H.v. 367,90 EUR beschäftigt. Die Entfernung zur Arbeitsstelle beträgt 6 Kilometer. Daneben erhält sie zur Sicherung des Lebensunterhalts - neben den Kosten für Unterkunft und Heizung - von der ARGE nach dem SGB II unter Berücksichtigung der erzielten Erwerbseinkünfte monatlich 199,57 EUR.
Das AG hat die Beklagte zunächst durch Versäumnisurteil vom 21.8.2008 verurteilt, an den Kläger für das Kind X einen Rückstand für den Zeitraum von März 2008 bis einschließlich Mai 2008 i.H.v. 864 EUR und mit Wirkung ab Juni 2008 monatlich 288 EUR Kindesunterhalt zu zahlen, monatlich jeweils im voraus, bis spätestens zum 3. Kalendertag jeden Monats. Gegen das Versäumnisurteil hat die Beklagte fristgemäß Einspruch eingelegt.
Die Parteien haben zu dem Umfang der Erwerbsobliegenheit auf Seiten der Beklagten und dem Betreuungsaufwand für das Kind Y unterschiedliche Ansichten vertreten.
Das AG hat das Versäumnisurteil - unter dessen Aufhebung und Klageabweisung im Übrigen - insoweit aufrechterhalten, als die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger für das Kind X ab März 2008 einen monatlichen Kindesunterhalt i.H.v. 145 EUR zu zahlen. Das AG ist von einer Obliegenheit der Beklagten zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit ausgegangen und hat ihr unter Ansatz von teilweise fiktiven Einnahmen ein monatliches Nettoeinkommen i.H.v. 1.100 EUR angerechnet und dieses um 5 % berufsbedingte Aufwendungen bereinigt. Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil (Bl. 115 - 121 d.A.) Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Nach den übereinstimmenden Angaben der Partei...