(1) Nach § 26 Abs. 2 Nr. 2 SGB IX sollen in definierten Fällen rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen angeboten werden, insbesondere um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern. Anhaltspunkte für einen möglichen Bedarf an Leistungen zur Teilhabe und somit für Fallgestaltungen entsprechend Satz 1 ergeben sich oftmals aus bereits vorliegenden Informationen. Ein möglicher Bedarf besteht insbesondere bei Personen auf die mindestens einer der nachfolgend aufgeführten Sachverhalte zutrifft[1]:

 

(a)

Länger als sechs Wochen ununterbrochene oder wiederholte Arbeitsunfähigkeit innerhalb der letzten 12 Monate z.B. im Rahmen des Betrieblichen Eingliederungsmanagements.

 

(b)

Bestehen einer chronischen Erkrankung oder einer Multimorbidität bei Menschen jeden Alters.

 

(c)

Wiederholte oder lang andauernde ambulante oder stationäre Behandlungen wegen derselben Erkrankung; insbesondere dann, wenn durch eine Erkrankung eine Behinderung oder eine Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit droht.

 

(d)

Gesundheitliche Beeinträchtigungen bei der Ausübung oder Aufnahme einer Erwerbstätigkeit sowie ein (drohender) krankheitsbedingter Arbeitsplatzverlust.

 

(e)

Beantragung oder Bezug einer teilweisen oder vollen Erwerbsminderungsrente.

 

(f)

(Möglicher) Eintritt oder Verschlimmerung einer Pflegebedürftigkeit.

 

(g)

Besonders belastende Ausbildungs-, Arbeits- und Lebensbedingungen (z.B. Pflege von Angehörigen).

 

(h)

Verschlimmerung oder sich neu ergebende Aspekte für eine mögliche Verbesserung des Leistungs- und Teilhabevermögens nach bereits in Anspruch genommener Teilhabeleistung.

 

(i)

Gesundheitsstörung, der vermutlich eine psychische Erkrankung, eine psychosomatische Reaktion oder eine Suchtmittelabhängigkeit zugrunde liegt.

 

(j)

Zustand nach traumatischen Erlebnissen.

 

(k)

Auffälliges Verhalten in der Kindertagesstätte oder der Schule (Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen mit anhaltenden Verhaltensmustern, Belastungs- und Anpassungsstörungen, eingeschränkte Wahrnehmung der äußeren Wirklichkeit).

 

(l)

Bestehen einer komplexen Bedarfslage des Betroffenen.

 

(2) Neben einer (chronischen) Erkrankung, deren Prognose und den ggf. speziellen Gefährdungs- und Belastungsfaktoren sind insbesondere die Auswirkungen des Gesundheitsproblems[2] für einen potenziellen Bedarf an Leistungen zur Teilhabe maßgeblich. Die dazu notwendige systematische Beschreibung von Krankheitsauswirkungen bzw. möglichen Wechselwirkungen zwischen der Person mit ihrem Gesundheitsproblem und ihrer Funktionsfähigkeit mit den gegebenen Kontextfaktoren[3] ermöglicht die Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (International Classification of Functioning, Disability and Health – ICF)[4]. Mittels der ICF können ausgehend vom bestehenden Gesundheitsproblem neben Auswirkungen auf der Ebene der Körperfunktionen und -strukturen Beeinträchtigungen der Aktivitäten und der Teilhabe in den für Menschen wichtigen Lebensbereichen systematisch erfasst und beschrieben werden.

[1] Die unter Punkt b) sowie g) bis j) benannten Anhaltspunkte werden in Anlage 1 dieser Gemeinsamen Empfehlung durch mögliche Anzeichen für deren Vorliegen konkretisiert. Typische Bedarfsanlässe aus dem Bereich der Eingliederungshilfe sind hier noch nicht explizit ausformuliert. .
[2] Ein Gesundheitsproblem ist aus den Krankheitsdiagnosen nach der jeweils gültigen Fassung der ICD abzuleiten (Internationale Klassifikation der Krankheiten). Aus dem Bestehen einer Erkrankung allein ist ein möglicher Bedarf an Teilhabeleistungen nicht hinreichend ableitbar. .
[3] Die Kontextfaktoren stellen den gesamten Lebenshintergrund eines Menschen dar und umfassen die Komponenten Umweltfaktoren und personbezogene Faktoren. .
[4] Näheres zu Begriffen und Konzept der ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health) siehe www.dimdi.de oder "ICF-Praxisleitfaden 1 beim Zugang zur Rehabilitation" der BAR. .

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