Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Grundsicherung bei Erwerbsminderung. Höhe des Regelbedarfs. im Elternhaushalt lebender alleinstehender behinderter Leistungsberechtigter nach Vollendung des 25. Lebensjahres. Zuordnung zur Regelbedarfsstufe 3. Ungleichbehandlung mit Leistungsbeziehern nach SGB 2. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG, dass nach der gesetzlichen Regelung in der Anlage zu § 28 SGB 12 ein lediger erwachsener behinderter Leistungsberechtigter, der keinen eigenen Haushalt führt, auch dann der Regelbedarfsstufe 3 zugeordnet wird, wenn er das 25. Lebensjahr vollendet hat.

2. Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen Art 3 bis 5 und 12 des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 13.12.2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention; juris: UNBehRÜbk) vor.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 11. Oktober 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin (ASt.) begehrt von der Antragsgegnerin (Ag.) im Wege der einstweiligen Anordnung höhere Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung.

Die ASt. wurde 1971 geboren und leidet seit frühester Kindheit an einer schweren geistigen und körperlichen Behinderung. Ihr sind die Pflegestufe III sowie ein Grad der Behinderung von 100 und die Merkzeichen “G„ , “aG„, “B„, “H„ und “RF„ zuerkannt. Sie bewohnt mit ihrer Mutter und dem Beigeladenen zu 1., ihrem Vater und Betreuer, eine 101 m² große Wohnung, für die ein Mietzins in Höhe von 626,00 € monatlich und Nebenkostenvorauszahlungen in Höhe von 243,00 € monatlich zu zahlen sind.

Mit Bescheid vom 30.06.2011 bewilligte die Ag. der ASt. Leistungen der Grundsicherung bei Erwerbsminderung unter Anrechnung von Einkommen (Kindergeld) in Höhe von 184,00 € monatlich bis auf weiteres. Im sich anschließenden Klagverfahren ließ die ASt. durch ihren Betreuer, den Beigeladenen zu 1., vortragen, dass dieser das Kindergeld als Kindergeldberechtigter beziehe und in den Haushalt einfließen lasse. Daraufhin gewährte die Ag. Grundsicherungsleistungen ohne Anrechnung von Einkommen. Ab Januar 2012 wurde das Kindergeld als Einkommen auf das dem Beigeladenen zu 1. vom Beigeladenen zu 3. geleistete Arbeitslosengeld II angerechnet. Mit Beschluss vom 16.08.2012 verpflichtete allerdings das Sozialgericht Leipzig (SG) das zu 3. beigeladene Jobcenter, dem Beigeladenen zu 1. Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung von Kindergeld zu gewähren, nachdem dieser im dortigen Verfahren (Az.: S 9 AS 3716/11 ER) erklärt hatte, dass die zu 2. beigeladene Familienkasse das Kindergeld auf das Konto der ASt., über das er als Betreuer verfüge, überweise. Seitdem bezieht der Beigeladene zu 1. Arbeitslosengeld II ohne Anrechnung von Einkommen (Bescheid des Beigeladenen zu 3. vom 24.11.2012)

Mit Änderungsbescheid vom 18.09.2012 kürzte die Ag. der ASt. die Grundsicherung bei Erwerbsminderung auf monatlich 474,37 €. Hierbei legte die Ag. einen Regelbedarf in Höhe von 299,00 €, einen Mehraufwand für Medikamente in Höhe von 18,88 €, einen Mehrbedarf infolge des Merkzeichens “G„ in Höhe von 50,83 € und Kosten der Unterkunft in Höhe von 289,66 €, also einem Drittel der Gesamtkosten zugrunde. Dem Gesamtbedarf von 658,37 € stellte sie das Kindergeld in Höhe von 184,00 € als Einkommen gegenüber. Den hiergegen wegen der Einkommensanrechnung eingelegten Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2012 als unbegründet zurück. Über die hiergegen beim SG erhobene Klage (Az.: S 5 SO 186/12) ist noch nicht entschieden. Allerdings hatte die Ag. bereits im September 2012 mitgeteilt, dass sie wegen der aufschiebenden Wirkung der Klage die Grundsicherungsleistungen bis auf weiteres ohne Anrechung des Kindergeldes leiste.

Am 26.09.2012 hat die ASt. beim SG den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel der anrechnungsfreien Gewährung von Grundsicherungsleistungen beantragt. Dies hat das SG mit Beschluss vom 11.10.2012 abgelehnt, weil kein Anordnungsanspruch vorliege. Die ASt. habe Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nur unter Anrechnung von Kindergeld, weil es ihr vom Kindergeldberechtigten direkt weitergeleitet werde. Gegen den am 12.10.2012 zugestellten Beschluss hat die ASt. am 18.10.2012 Beschwerde erhoben. Der Senat hat im Verfahren den Betreuer der ASt., das für ihn zuständige Jobcenter und die Familienkasse beigeladen (Beschlüsse vom 20.12.2012 und vom 08.01.2013).

Seit Oktober 2012 ist die Zahlung des Kindergeldes auf Antrag der ASt. bis auf weiteres eingestellt. Die ASt. erhält zurzeit ungekürzt Grundsicherungsleistungen in Höhe von 666,56 € (bis zum 31.12.2012: 658,37 €) ausgezahlt.

Am 11.03.2013 hat die ASt. die Gewährung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung von Rechtsanwalt S…, L… beantragt.

Dem Senat haben die Akten des erstinstanzlichen Antragsverfahrens sowie die Verwaltungsa...

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