Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Einigungsgebühr bei Annahme eines Teilanerkenntnisses und Rücknahme im Übrigen. Terminsgebühr bei mehreren gemeinsam aufgerufenen unverbundenen Verfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Die Abgabe voneinander unabhängiger Prozesserklärungen durch die Beteiligten des sozialgerichtlichen Verfahrens (hier: angenommenes Teilanerkenntnis und Rücknahme im Übrigen) allein lässt keine Einigungsgebühr entstehen. Den Umständen des Einzelfalls muss vielmehr zu entnehmen sein, dass die Beteiligten sich - ggf auch durch schlüssiges Verhalten - durch übereinstimmende, in Bezug aufeinander abgegebene Willenserklärungen, über die Beseitigung von Streit oder Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis einigen wollten.

 

Orientierungssatz

Werden ohne vorherigen förmlichen Verbindungsbeschluss mehrere Sachen zur Verhandlung aufgerufen und ist der Rechtsanwalt zu diesem Zeitpunkt vertretungsbereit anwesend, entstehen jeweils eigenständige Terminsgebühren. Für die Bestimmung der Höhe der Terminsgebühren ist der jeweils auf das einzelne Verfahren entfallende - insbesondere zeitliche - Aufwand der anwaltlichen Tätigkeit im Termin maßgeblich. Ergibt sich aus der Niederschrift über den Termin keine andere Zuordnung, ist die Gesamtdauer des Termins gleichmäßig auf die aufgerufenen Verfahren aufzuteilen (vgl hierzu grundlegend: Senatsbeschluss vom 19.6.2013 - L 8 AS 45/12 B KO = AGS 2013, 394).

 

Gründe

I.

Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung des im Rahmen der Prozesskostenhilfe (PKH) im Verfahren S 32 AS 2606/12 beigeordneten Rechtsanwalts.

Die Kläger führten vor dem Sozialgericht Chemnitz (SG) mehrere Verfahren aus dem Bereich der Grundsicherung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Im Verfahren S 32 AS 2606/12 (Klageeingang 11.06.2012) waren hierbei Leistungen im Bewilligungszeitraum 01.04.2010 bis 30.09.2010 streitig. Zugrunde lag ein von den Klägern, vertreten durch den Beschwerdeführer, veranlasstes und erfolglos gebliebenes Überprüfungsverfahren nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Mit der - nach erfolglosem Widerspruch - erhobenen Klage machten die Kläger die fehlende Berücksichtigung von Müllmarken und Müllgebühren für August und September 2010, die unrichtige Berücksichtigung von Unterhalt, der tatsächlich nicht gezahlt worden sei, den Abzug der Versicherungspauschale bei den Klägern zu 2 und 3 sowie die Nichtbeachtung der Rundungsregel geltend.

Mit Beschluss vom 15.08.2012 bewilligte das SG den Klägern im Verfahren S 32 AS 2606/12 PKH unter Beiordnung des Beschwerdeführers.

Am 15.08.2012 erörterte das SG das Verfahren S 32 AS 2606/12 gemeinsam mit 6 weiteren Verfahren in einem von 13:37 Uhr bis 14:21 Uhr dauernden Termin. Der Beklagte erkannte weitere Müllgebühren in Höhe von 12,67 € an und übernahm 1/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger. Der Beschwerdeführer nahm das Anerkenntnis an und erklärte den Rechtsstreit insgesamt für erledigt.

Mit Vergütungsfestsetzungsantrag vom 30.10.2012 hat der Beschwerdeführer im Verfahren S 32 AS 2606/12 die Festsetzung von aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen wie folgt beantragt:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG)

170,00 €

Erhöhungsgebühr (Nr. 1008 VV RVG)

102,00 €

Einigungs-/Erledigungsgebühr (Nr. 1005 i. V. m. Nr. 1006 VV RVG)

190,00 €

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

100,00 €

Fahrtkosten (Nr. 7003 VV RVG 152 km á 0,30 €, 1/7)

6,51 €

Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 VV RVG 1/7)

5,00 €

Auslagen (Nr. 7002 VV RVG)

20,00 €

Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

112,77 €

Gesamtbetrag

706,28 €

Mit Beschluss vom 23.11.2012 hat die Urkundsbeamtin des SG die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen wie folgt festgesetzt:

Verfahrensgebühr (Nr. 3103 VV RVG

170,00 €

Erhöhungsgebühr (Nr. 1008 VV RVG)

102,00 €

Terminsgebühr (Nr. 3106 VV RVG)

40,00 €

Reisekosten

5,07 €

Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr. 7005 VV RVG)

3,89 €

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV RVG)

20,00 €

Mehrwertsteuer (Nr. 7008 VV RVG)

64,78 €

Gesamtsumme

405,74 €

Eine Gebühr nach Nr. 1006 VV RVG sei nicht entstanden, denn es fehle am der qualifizierten, auf die Erledigung gerichteten, Mitwirkung des Beschwerdeführers. Auch die beantragte Terminsgebühr sei zu reduzieren, da in 44 Minuten 7 Verfahren verhandelt worden seien. Reisekosten und Tage- und Abwesenheitsgeld seien auf die insgesamt 9 am Terminstag beim SG verhandelten Sachen aufzuteilen gewesen.

Die hiergegen gerichtete Erinnerung, mit der der Beschwerdeführer die Absetzung der Erledigungsgebühr sowie die Absenkung der Terminsgebühr beanstandete, hat das SG mit Beschluss vom 1.02.2013 aus den Gründen des Vergütungsfestsetzungsbeschlusses zurückgewiesen (S 6 SF 181/13 E).

Gegen den ihm am 06.02.2013 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 20.02.2013 Beschwerde erhoben und zur Begründung auf sein Vorbringen in der Erinnerung verwiesen. Ergänzend hält er die Absetzung der Erledigungsgebühr für unrichtig. Durch die Erledigungser...

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