Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. vorherige Zusicherung des Grundsicherungsträgers. Erforderlichkeit und Angemessenheit des Umzuges. Erhöhung der Unterkunftskosten. keine Überschreitung der Angemessenheitsgrenze. Begrenzung auf bisherigen Unterkunftsbedarf
Leitsatz (amtlich)
1. Das Erfordernis, die vorherige Zusicherung des kommunalen Trägers gemäß § 22 Abs 4 S 1 SGB 2 einzuholen, ist lediglich eine Obliegenheit des Leistungsempfängers, stellt also keine Anspruchsvoraussetzung dar. § 22 Abs 4 S 1 SGB 2 kommt jedoch die Funktion zu, vor einem Umzug zu klären, ob die höheren Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen werden. Die Regelung dient dem Schutz der Hilfebedürftigen vor den weitreichenden Konsequenzen des § 22 Abs 1 S 2 SGB 2, die in der nur gekürzten Übernahme der tatsächlichen angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung ohne Übergangsfrist bestehen (Fortführung der Rechtsprechung des Senats, vgl LSG Chemnitz vom 4.3.2011 - L 7 AS 753/10 B ER).
2. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollen die Kosten der Unterkunft und Heizung auf die bisherigen angemessenen Unterkunftskosten begrenzt werden, wenn Hilfebedürftige unter Ausschöpfung der durch den kommunalen Träger festgelegten Angemessenheitsgrenzen für Wohnraum in eine Wohnung mit höheren, gerade noch angemessenen Kosten ziehen. Mit dieser Regelung soll dem Leistungsmissbrauch eine Grenze gesetzt und Kostensteigerungen für Leistungen der Kosten der Unterkunft und Heizung innerhalb der kommunalen Grenzen vorgebeugt werden. Mit der nur ausnahmsweise erfolgenden Übernahme von über den bisher als angemessen anerkannten Kosten der Unterkunft und Heizung - auch innerhalb der Angemessenheitsgrenzen - liegenden Unterkunftskosten wird es den Hilfebedürftigen verwehrt, den maximalen Leistungsanspruch auszuschöpfen, wenn ihr existenzsichernder Bedarf bereits angemessen gedeckt ist.
3. Hat eine Bedarfsgemeinschaft (oder ein alleinstehender Hilfebedürftiger) eine bestimmte Wohnung - während oder außerhalb des Bezugs von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts - gewählt, so spricht zunächst die tatsächliche Vermutung für die Angemessenheit der konkreten, selbst gewählten Unterkunft. Die bloße, auch erhebliche Unterschreitung der maßgeblichen Flächenhöchstwerte macht daher allein einen Umzug regelmäßig noch nicht erforderlich. Bei anderer Sichtweise würde der Zweck der Vorschrift verfehlt, die Ausschöpfung der örtlichen Angemessenheitsgrenzen durch einen Umzug in eine Wohnung mit höheren, jedoch noch angemessenen Kosten zu verhindern.
4. Zur Erteilung der Zusicherung iS des § 22 Abs 4 S 1 SGB 2 ist der kommunale Träger nach S 2 der Vorschrift jedoch verpflichtet, wenn die Kosten der neuen Unterkunft ihrerseits angemessen sind und der Umzug erforderlich ist. Nur bei Vorliegen beider Voraussetzungen besteht ein Anspruch auf Erteilung der Zusicherung.
5. Der Umzug ist erforderlich, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichtleistungsempfänger leiten lassen würde.
6. Eine Kündigung des Mietvertrages über die bisherige Wohnung durch die Hilfebedürftigen rechtfertigt die Erforderlichkeit des Umzugs nicht. Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit des Umzugs hat eine durch Eigenkündigung der Hilfebedürftigen herbeigeführte Umzugsnotwendigkeit außer Betracht zu bleiben. Ansonsten hätten es die Hilfebedürftigen in der Hand, einen der gesetzgeberischen Zielsetzung widersprechenden Wohnungswechsel zu erzwingen.
Tenor
I. Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 5. Oktober 2011 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes über die vorläufige Erteilung einer Zusicherung zum Umzug in eine neue Wohnung.
Die 1982 geborene Antragstellerin zu 1) ist die Mutter der 2001 und 2006 geborenen Antragstellerinnen zu 2) und 3). Diese bewohnten zunächst gemeinsam mit dem Ehemann der Antragstellerin zu 1) und Vater der Antragstellerin zu 3) die 72 m² große Wohnung in der F...straße … in P….. . Im Fortzahlungsantrag vom 15.01.2010 gab die Antragstellerin zu 1) an, seit Ende November bzw. Dezember 2009 von ihrem Ehemann getrennt zu leben. Zu ihrer Bedarfsgemeinschaft gehörten die Antragstellerinnen zu 2) und 3).
Zum 01.02.2010 mietete die Antragstellerin zu 1) ihre derzeitige, 60 m² große Wohnung in der M...straße …. in P….. an. Die Wohnung verfügt über ein Wohnzimmer mit einer Fläche von ca. 18 m², zwei Kinderzimmer mit Flächen von 10,5 m² und 8,8 m², eine Wohnküche, ein Bad und einen Flur. Die Kinderzimmer werden von den Antragstellerinnen zu 2) und 3) genutzt. Die Antragstellerin zu 1) schläft im Wohnzimmer. Die Antragstellerin zu 1) kündigte die Wohnung zum 31.12.2011.
Am 27.09.2011 sprach die Antragstellerin zu 1) be...