Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. stationäre Pflege. Bereitstellung von Mitteln zur Andickung von Getränken. Hilfe zum Lebensunterhalt. notwendiger Lebensunterhalt in Einrichtungen. darin erbrachter Lebensunterhalt. Versorgungsvertrag nach § 72 SGB 11 iVm Rahmenvertrag nach § 75 SGB 11. weiterer notwendiger Lebensunterhalt
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bereitstellung von Mitteln zum Andicken von Getränken ist nicht Gegenstand der pflegerischen Versorgung in stationären Einrichtungen (§ 65 SGB XII).
2. Die Hilfe zur Pflege umfasst bei stationärer Pflege nicht nur die von § 65 SGB XII erfassten pflegerischen Maßnahmen, sondern über § 27b Abs 1 SGB XII auch Unterkunft und Verpflegung im Pflegeheim.
3. Die Kosten für Dickungsmittel, die nicht Bestandteil der vom Pflegeheim zu leistenden Verpflegung sind, können als weiterer notwendiger Lebensunterhalt nach § 27b Abs 2 SGB XII vom Sozialhilfeträger zu übernehmen sein.
4. Der Umfang der von zugelassenen Pflegeeinrichtungen in der Hilfe zur Pflege zu leistenden Verpflegung ergibt sich auch aus dem für die Einrichtung geltenden Versorgungsvertrag (§ 72 SGB XI) iVm dem Rahmenvertrag (§ 75 SGB XI). Denn von der Bindungserstreckung des § 75 Abs 5 S 1 SGB XII sind mit der Vergütungsvereinbarung nach dem SGB XI auch die ihr zugrunde liegenden versorgungs- und rahmenvertraglichen Regelungen über das Leistungsangebot der zugelassenen Pflegeeinrichtung umfasst.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschlusses des Sozialgerichts Chemnitz vom 1. Dezember 2017 aufgehoben und der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig ab 10. Oktober 2017, längstens jedoch bis zur Bestandskraft einer Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21. Juni 2017, einen um monatlich 50,00 € höheren weiteren notwendigen Lebensunterhalt zu gewähren.
II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die notwendigen außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Übernahme der Kosten für ein Mittel zum Andicken von Getränken.
Der 1953 geborene Antragsteller leidet unter einer mittelschweren Dysphagie mit erhöhter Aspirationsgefahr. Deswegen erhält er zulasten der zu 1 beigeladenen Krankenkasse eine logopädische Therapie. Aufgrund der Aspirationsgefahr hält die behandelnde Logopädin im Rahmen ihres Therapieplans das Andicken von Getränken für erforderlich. Bei unangedickten Getränken komme es zu einem vorzeitigen Abgleiten, was zu einem starken Husten führe; könne der Antragsteller dann nicht alles abhusten, bestehe die Gefahr einer Aspirationspneumonie. Für die deshalb erfolgte Beschaffung eines Dickungsmittels (Nutilis Powder ®) entstehen dem Antragsteller seit Ende 2016 Kosten von durchschnittlich 51,22 € im Monat.
Der Antragsteller ist (voll-)stationär in dem Pflegeheim des Beigeladenen zu 2 untergebracht. Die hierfür entstehenden und nicht gedeckten Heimkosten - der Antragsteller bezieht Rente wegen voller Erwerbsminderung, Wohngeld sowie Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach dem Pflegegrad 4 - übernimmt der Antragsgegner und gewährt dem Antragsteller während des Heimaufenthalts einen Barbetrag in Höhe von 110,34 € monatlich (Änderungsbescheid vom 01.06.2017). Die Übernahme der Kosten eines Dickungsmittels lehnten sowohl die zu 1 beigeladene Krankenkasse (Bescheid vom 27.06.2017, Widerspruchsbescheid vom 07.12.2017) als auch der Antragsgegner (Bescheid vom 21.06.2017) ab.
Am 10.10.2017 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Chemnitz (SG) beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm - dem Antragsteller - vorläufig einen Mehrbedarf wegen zusätzlich anfallender Kosten für ein Dickungsmittel in Höhe von 50,00 € monatlich zu gewähren. Der Anspruch dürfte sich aus § 30 Abs. 5 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ergeben. Zur Sicherung des übrigen Existenzminimums sei er auf die Gewährung des Mehrbedarfs angewiesen.
Der Antragsgegner hat bestritten, dass es sich bei dem Dickungsmittel um ein medizinisch notwendiges und existentiell erforderliches Mittel handele.
Mit Beschluss vom 01.12.2017 hat das SG den Eilantrag abgelehnt. Ein Anordnungsgrund liege nicht vor, zumal die vorgelegte Stellungnahme der Logopädin nicht von einer zwingenden Erforderlichkeit eines Dickungsmittels ausgehe, sondern nur eine Empfehlung ausspreche. Auch sei kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Es lägen weder die Voraussetzungen des § 27b i.V.m. § 30 Abs. 5 SGB XII noch die des § 73 SGB XII vor. Es sei nicht ersichtlich, dass das Dickungsmittel medizinisch unabdingbar notwendig und existenziell erforderlich sei. Auch sei das Pflegeheim verpflichtet, die Nahrung mundgerecht zuzubereiten, was eine im Einzelfall erforderliche Andickung beinhalte.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner am 27.12.2017 eingelegten Beschwerde. Der Mehrbedarf sei ausreichend darg...