Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialrecht. Mitwirkung des Leistungsberechtigten. Leistungsversagung wegen fehlender Mitwirkung. Nachweis der Leistungsvoraussetzungen ohne Mitwirkung des Leistungsberechtigten. Entscheidung über eine nachträgliche Leistungserbringung
Leitsatz (amtlich)
Wurden nach Abschluss des Verwaltungs- und Vorverfahrens auf andere Weise als durch die geforderte Mitwirkung des Leistungsberechtigten die Voraussetzungen der Leistung nachgewiesen, ist über die nachträgliche Erbringung der begehrten Leistungen zu entscheiden.
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Dresden vom 30.03.2021 abgeändert und der Antragsgegner einstweilig verpflichtet, dem Antragsteller unter Abänderung des Bescheids vom 25.11.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.04.2021 in der Fassung des Bescheids vom 25.05.2021 für November 2020 bis Mai 2021 weitere 320,- € monatlich durch Zahlung an dessen Vermieter zu erbringen. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
II. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten.
Gründe
I.
Im Streit ist die Versagung von Arbeitslosengeld (Alg) II ab November 2020.
Der im Juli 1955 geborene Antragsteller ist Inhaber einer VIABUY-Kontos (allgemein hierzu vgl. z.B. www.viabuy.com/de), "ein Aufladekonto auf Guthabenbasis" (vgl. schriftliche Erklärung des Antragstellers v. 11.11.2019). Ab Mai 2021 wurde ihm Regelaltersrente mit einem Zahlbetrag von 36,59 € monatlich bewilligt (Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland, Mitteilung v. 21.04.2021).
Der Antragsteller ist Mieter einer Wohnung in A...., für die seit Juni 2020 insgesamt 320,- € (220,- € Grundmiete + jeweils 50,- € Vorauszahlungen für Betriebs- und Heizkosten) monatlich zu zahlen sind (Nebenkostenabrechnung v. 05.05.2020). Nach Aktenlage ergaben sich nach den Nebenkostenabrechnungen für 2013 bis 2019 Guthaben. Jedenfalls die Auszahlung bzw. Aufrechnung der Guthaben nach den Abrechnungen für Zeiten ab 2016 sowie deren Vorlage an und Berücksichtigung durch den Antragsgegner sind von Auseinandersetzungen zwischen dem Antragsteller, der Verwaltung des Vermieters und dem Antragsgegner begleitet. Im Zusammenhang mit der Nebenkostenabrechnung vom 10.10.2017 für 2016 erklärte der Antragsteller nach Aufforderung des Antragsgegners (Schreiben v. 14.05.2018) sein Einverständnis mit der Offenbarung seiner Sozialdaten "zum Zwecke der Klärung der Mietzahlung, Betriebskosten und Kaution im erforderlichen Umfang" (Erklärung v. 03.06.2018). Mit Schreiben vom 20.04.2021 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis fristlos, da seit November 2020 keine Mietzahlungen erfolgt seien.
Bis Oktober 2020 erbrachte der Antragsgegner dem Antragsteller Alg II unter Aufrechnung von zuletzt 117,30 € monatlich sowie bei Zahlung der Leistungen für Unterkunft und Heizung an den Vermieter (für November 2019 bis Oktober 2020 vgl. Bescheid v. 15.11.2019, ab Januar 2020 ersetzt durch Bescheid v. 23.11.2020).
Am 21.09.2020 beantragt der Antragsteller beim Antragsgegner die Weiterbewilligung (am 13.09.2020 unterzeichnetes Antragsformular). Daraufhin forderte ihn der Antragsgegner unter Hinweis auf die Möglichkeit der Versagung von Leistungen auf, eine aktuelle Rentenauskunft einzureichen und den Stand der Nebenkostenabrechnungen 2016 bis 2019 mitzuteilen (Schreiben v. 23.09.2020, 21.10.2020 und 06.11.2020). Nach ausbleibenden Reaktionen des Antragstellers versagte der Antragsteller ab November 2020 Leistungen (Bescheid v. 25.11.2020) und forderte ihn auf, 3.9992,19 € einer ursprünglichen Gesamtrückforderung von 9.765,39 € zu zahlen (Zahlungsaufforderung v. 25.11.2020). Den am 22.12.2020 erhobenen Widerspruch (Niederschrift v. 21.12.2020) des Antragstellers wies der Antragsgegner zurück (Widerspruchsbescheid v. 28.04.2021, W 60/21).
Bereits am 09.02.2021 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Dresden (SG) "Klage" erhoben und "um schnellste Klärung" ersucht (Schreiben v. 08.02.2021). Das SG hat ein Hauptsacheverfahren (Az.: S 27 AS 235/21) und ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (Az.: S 27 AS 261/21 ER) registriert sowie beim Amtsgericht D.... (AG) die Einleitung eines Betreuungsverfahrens angeregt (Schreiben v. 04.03.2021). Das AG sah von der Bestellung eines Betreuers ab und stellte das Betreuungsverfahren ein (Beschluss v. 14.04.2021 - XVII 109/21). Den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz hat das SG "abgewiesen" (Beschluss v. 30.03.2021). Ob die aufschiebende Wirkung anzuordnen sei, stehe im gerichtlichen Ermessen. Ein wichtiger Grund sei dargelegt. Jedoch sei eine gewisse Mitwirkung des Antragstellers ausgeblieben. Schriftliche Äußerungen seien ihm möglich. Könne er seine Rechte aus gesundheitlichen Gründen nicht wahrnehmen, helfe das vom SG eingeleitete Betreuungsverfahren. Hinsichtlich der Mietschulden sei dringend fremde Hilfe in Anspruch zu nehmen.
Gegen den - ihm am 01.04.2021 zugestellten - Beschluss vom 30.03.2021 ha...