Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Berufsschadensausgleich. keine Anrechnung einer privaten Unfallrente nach § 8 Abs 2 BSchAV
Leitsatz (amtlich)
1. Bei Vorliegen eines Anspruchs auf Berufsschadensausgleich im Rahmen eines Opferentschädigungsanspruchs erfolgt keine Anrechnung einer privaten Unfallrente nach § 8 Abs 2 BSchAV.
2. Eine private Unfallrente fällt unter keines der Regelbeispiele des § 8 Abs 2 BSchAV.
3. Hätte der Gesetzgeber die private Unfallrente mit in die anzurechnenden Einnahmen nach § 8 Abs 2 BSchAV einbeziehen wollen, hätte er dies ausdrücklich regeln müssen.
Orientierungssatz
Eine Einbeziehung der privaten Unfallversicherung in die anzurechnenden Einnahmen ergibt sich auch nicht aus dem Rundschreiben des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 8.10.2002 - IV c 2-63053, weil dieses die Gerichte nicht bindet.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 4 S. 1, Abs. 5, 11 S. 1, Abs. 14, § 40a Abs. 1, 4, § 64c Abs. 2 Sätze 2-3; BSchAV § 8 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nrn. 2-3, 6, § 9 Abs. 1 S. 1; BSchAV a.F. § 9 Abs. 2 S. 3; AusglV § 2 Abs. 1 Nr. 11; SGB VII § 2; GG Art. 20 Abs. 2; SGB X § 24 Abs. 2 Nr. 5, § 48 Abs. 1 S. 1, § 50 Abs. 1; SGG § 54 Abs. 1
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 9. März 2017 und der Bescheid des Beklagten vom 13.03.2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.09.2014 insoweit aufgehoben, als darin die private Unfallversicherung der Klägerin als Einkommen auf den Berufsschadensausgleich angerechnet wurde.
II. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für beide Instanzen.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist im Rahmen der Neufeststellung der Beschädigtenrente der Klägerin die Anrechnung einer privaten Unfallrente beim Berufsschadensausgleich streitig.
Die 1950 geborene Klägerin ist am Neujahrsmorgen des Jahres 2010 Opfer einer Gewalttat geworden, als ein ihr bis dahin unbekannter Täter sie tätlich angriff und sie mit dem Hinterkopf auf Asphalt stürzte.
Die Klägerin beantragte am 18.03.2010 beim Beklagten die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Nach einer Wiedereingliederung war die Klägerin zunächst wieder vollschichtig in ihrem bisherigen Beruf tätig.
Mit Erstanerkennungsbescheid vom 15.12.2011 erkannte der Beklagte bei der Klägerin eine Knochennarbe re. okzipital und im Felsenbein rechts, eine Hörminderung re./Gleichgewichtsstörung/Tinnitus, einen Verlust des Riechvermögens sowie kognitive Leistungseinschränkungen nach Schädelhirntrauma mit einem Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von 30 als Folge des Ereignisses vom 01.01.2010 an und lehnte eine besondere berufliche Betroffenheit sowie die Gewährung von Berufsschadensausgleich ab.
Am 29.06.2012 beantragte die Klägerin die Überprüfung der Entscheidung vom 12.12.2011 und begehrte rückwirkend ab dem 01.02.2010 bei ihr einen GdS von 40 anzuerkennen. Sie verwies auf einen durch den Landkreis Z.... mit Bescheid vom 11.06.2012 rückwirkend ab dem 01.02.2010 auf 40 erhöhten Grad der Behinderung (GdB). Sie sei seit dem 01.05.2012 nur noch fünf Stunden täglich in ihrem Beruf tätig und erleide erhebliche Einkommenseinbußen.
Am 23.08.2012 beantragte die Klägerin beim Beklagten, bei ihr besondere berufliche Betroffenheit und Berufsschadensausgleich anzuerkennen. Sie schilderte ihren beruflichen Werdegang und begründete den Antrag.
Der Beklagte ermittelte daraufhin hinsichtlich der besonderen beruflichen Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 BVG und der Voraussetzungen für die Gewährung eines Berufsschadensausgleiches nach § 30 Abs. 3 BVG. Die Klägerin erteilte zunächst am 01.08.2012 Auskünfte zu ihrer Ausbildung und ihrem Lebenslauf sowie zu den Folgen der Schädigung in Beruf und Fortkommen, außerdem informierte sie über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Jahr 2012. Danach betrug der monatliche Lohn bis April 2012 brutto 2.602,94 € und ab Mai 2012 monatlich brutto 1.690,22 €.
Dr. Y.... nahm für den Beklagten am 12.12.2012 versorgungsärztlich Stellung.
Der Beklagte nahm mit Bescheid vom 14.03.2013 den Bescheid vom 15.12.2011 nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ab dem 01.01.2010 hinsichtlich des GdS von 30 zurück und erkannte ab diesem Zeitpunkt bei gleichbleibenden Gesundheitsstörungen einen GdS von 40 an. Wegen geänderter Verhältnisse (§ 48 SGB X) setzte der Beklagte den Versorgungsanspruch ab dem 01.05.2012 neu fest. Danach erkannte er bei der Klägerin nach § 30 Abs. 1, 2 BVG einen Gesamt-GdS von 50, in welchem eine besondere berufliche Betroffenheit in Höhe von 10 v.H. mitenthalten war. Außerdem erkannte der Beklagte einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich sowie dem Grunde nach auf Ausgleichsrente und Ehegattenzuschlag an. Wegen der Berechnung und Abrechnung der Versorgungsbezüge verwies der Beklagte auf die Anlage.
Daraus ergab sich ei...