Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder. Beitragspflicht. Promotionsstipendium. Rückwirkende Bestätigung der Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler. Erlass der einheitlichen Regelung der Beitragsbemessung durch Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes. autonomes Recht. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der einheitlichen Regelung der Beitragsbemessung gemäß § 240 Abs 1 S 1 SGB 5 handelt es sich um autonomes Recht, für dessen Erlass der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes und nicht dessen Vorstand zuständig ist (Festhaltung an LSG Chemnitz vom 7.11.2011 - L 1 KR 173/10 B ER).
2. Die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler des GKV-Spitzenverbandes sind wirksam, seitdem sie von dessen Verwaltungsrat am 30.11.2011 zulässigerweise mit Wirkung für die Vergangenheit bestätigt worden sind.
3. Gegen die Ermächtigung des GKV-Spitzenverbandes zur einheitlichen Regelung der Beitragsbemessung in § 240 Abs 1 S 1 SGB 5 bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
4. Für die Heranziehung eines Promotionsstipendiums als beitragspflichtige Einnahme genügt nicht die Generalklausel in § 3 Abs 1 Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler.
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 21. Juni 2011 aufgehoben. Der Bescheid der Beklagten vom 11. August 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Mai 2010 in der Fassung der Bescheide vom 28. Januar 2011, 8. August 2011 und 22. November 2011 wird insoweit aufgehoben, als darin der Bemessung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 30. November 2011 beitragspflichtige Einnahmen von mehr als kalendertäglich 1/90 der jeweiligen monatlichen Bezugsgröße zugrunde gelegt worden sind. Die Beklagten werden verurteilt, dem Kläger den Differenzbetrag zwischen den tatsächlich für die Zeit vom 1. Juli 2009 bis 30. November 2011 gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen und den unter Zugrundelegung beitragspflichtiger Einnahmen von kalendertäglich 1/90 der jeweiligen monatlichen Bezugsgröße geschuldeten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen zu erstatten.
II. Die Beklagten haben dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Streitig ist die Heranziehung eines Promotionsstipendiums zur Bemessung der Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in der Auffangpflichtversicherung.
Der 1979 geborene Kläger kehrte am 21.11.2007 nach einem längeren Auslandsaufenthalt als Stipendiat der Deutschen Studienstiftung nach Deutschland zurück. Vom 01.12.2007 bis zum 30.11.2011 erhielt er zur Vorbereitung auf die Promotion von der Max-Planck-Gesellschaft ein monatliches Stipendium von zunächst 1.128,00 € und später (ab 01.12.2009) 1.340,00 €. Am 12.12.2007 zeigte er bei der bei der zu 1 beklagten Krankenkasse die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) an. Mit - auch im Auftrag der zu 2 beklagten Pflegekasse ergangenem - Bescheid vom 08.02.2008 setzte die Beklagte zu 1 den monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab 21.11.2007 auf insgesamt 122,09 € und für die Zeit ab 01.01.2008 auf insgesamt 122,18 € fest. Sie legte dabei beitragspflichtige Einnahmen von monatlich 1/3 der monatlichen Bezugsgröße zugrunde und rechnete ausdrücklich das Stipendium nicht als Einkommen an, wobei der Bescheid hinsichtlich des zugrunde gelegten Einkommens längstens bis 30.11.2009 galt.
Nachdem der Kläger im Rahmen einer Einkommensabfrage im August 2009 erneut sein Promotionsstipendium angegeben hatte, setzte die Beklagte zu 1 - auch im Namen der Beklagten zu 2 - mit Bescheid vom 11.08.2009 den monatlichen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Zeit ab 01.07.2009 auf 186,12 € fest; sie legte dabei beitragspflichtige Einnahmen von 1.128,00 € zugrunde. Gegen die damit erfolgte Berücksichtigung seines Promotionsstipendiums bei der Beitragsbemessung wandte sich der Kläger mit seinem Widerspruch. Er berief sich auf ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Hannover vom 26.10.2009 (S 44 KR 164/09 - nicht veröffentlicht), wonach für die Beitragspflicht von Stipendien eine ausdrückliche Regelung erforderlich sei. Eine solche Regelung enthielten auch die Einheitlichen Grundsätze des GKV-Spitzenverbandes zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler) nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 14.05.2010 wies die Beklagte zu 1 - auch im Namen der Beklagten zu 2 - den Widerspruch zurück. Seit dem 01.01.2009 werde die Beitragsbemessung nicht mehr durch die Satzung geregelt, sondern durch die Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler des GKV-S...