Rz. 27
Die bislang normierte Beratungspflicht des SGB I trägt durch die spezialgesetzliche Regelung in § 14 den Besonderheiten in der Grundsicherung für Arbeitsuchende Rechnung. Die Formulierung des neuen Abs. 2 weicht explizit von der allgemeinen Formulierung der Beratungsaufgabe des § 14 SGB I ab bzw. erweitert diese. Dies bedeutet für die gemeinsamen Einrichtungen eine individuelle und gerichtsfest zu dokumentierende Beratung über leistungsrechtliche Sachverhalte zu allen Lebenslagen (Beweislast der Jobcenter), das dürfte auch auf die Jobcenter der zugelassenen kommunalen Träger nach § 6a zutreffen.
Rz. 28
Abs. 2 präzisiert die Beratungsdienstleistungen im Rahmen der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Die Vorschrift betont die gemeinsame Erarbeitung einer Eingliederungsstrategie und fokussiert damit auch auf den Umgang auf Augenhöhe von Jobcenter und leistungsberechtigtem, der sich insbesondere im Eingliederungsprozess niederschlagen soll. Betroffen sind ferner sowohl die berufliche Beratung im Hinblick auf die Verringerung oder Beseitigung der Hilfebedürftigkeit durch Erwerbstätigkeit als auch die leistungsrechtliche Beratung insbesondere in Bezug auf die Leistungen zum Lebensunterhalt. Den Jobcentern ist anzuraten, die leistungsrechtliche Beratung in den Jobcentern zu professionalisieren, insbesondere auch durch eine entsprechende Qualifizierung der beratenden Mitarbeiter. Explizit fordert Abs. 2 Satz 2 Beratung als Erteilung von Auskunft und Rat zu Selbsthilfeobliegenheiten und Mitwirkungspflichten, zum Schlichtungsverfahren (§ 15a), zur Berechnung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und zur Auswahl der Leistungen im Rahmen des Eingliederungsprozesses. Das schließt den durch das Bürgergeld-Gesetz fixierten Übergang in den neuen Eingliederungsprozess mit Übergangsrecht ein. Eine umfassende Eingliederungsstrategie schließt die Möglichkeiten zur Inanspruchnahme von Leistungen Dritter, insbesondere anderer Träger, in jedem Fall ein.
Rz. 29
Die Gesetzesbegründung legt nahe, dass nach den Vorstellungen des Gesetzgebers der persönliche Ansprechpartner, der bis zum 31.7.2016 nur über die Leistungen zur Eingliederung in Arbeit beraten hat, seit dem 1.8.2016 auch über leistungsrechtliche Angelegenheiten zu beraten hat. Das allerdings stimmt mit der Organisation und den Prozessen der allermeisten Jobcenter, wenn nicht allen Jobcentern, nicht überein. Die Bereiche Markt und Integration sowie Leistungsgewährung sind in den Jobcentern praktisch durchweg getrennt voneinander organisiert. Insoweit können die beraterischen Aufgaben nicht im Sinne einer Verzahnung der aktiven und passiven Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende wahrgenommen werden, auch deshalb nicht, weil damit einzelne Fachkräfte der Jobcenter, die dies leisten sollten, detailliertes Know-how in einem zu großen, zudem komplexen und unübersichtlichen Aufgabenkreis vorhalten müssten. Darunter würde auch die Beratungsqualität leiden. Die Jobcenter sollten deshalb daran festhalten, die fachliche Expertise in 2 getrennten Fachbereichen des Jobcenters einzusetzen. Damit kann auch dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Abs. 2 Satz 4 und 5 auf die Ergebnisse der Berufsberatung fokussiert, die regelmäßig nicht leistungsrechtlicher Natur sein werden, abgesehen von Beratungsinhalten zu Leistungen zur Eingliederung in Arbeit aus dem arbeitsförderungsrechtlichen Instrumentenkasten. Auch fordert der ab 1.7.2023 neu geregelte Eingliederungsprozess eine professionelle fachmännische Beratung.
Rz. 30
Damit dürfte auch die Frage beantwortet sein, wie der Beratungsauftrag nach § 14 SGB I, der zunächst stark auf leistungsrechtliche Beratung fokussierte, in den Jobcentern ausgeführt wird, nämlich durch die Fachkräfte im Leistungsbereich des Jobcenters. Diese Aufgabe dürfte auch bisher nicht von den persönlichen Ansprechpartnern wahrgenommen worden sein. Eine solche Aufgabenverteilung ist in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden und kommt im Übrigen den Kunden der Grundsicherungsverwaltung zugute.
Rz. 31
Abs. 2 Satz 1 geht davon aus, dass leistungsberechtigte Personen beraten werden. Die Beratung ist auch nicht in das Belieben des Jobcenters gestellt, sondern genauso zwingend wie selbstverständlich. Leistungsberechtigt sind aber nur diejenigen, die die Anspruchsvoraussetzungen des § 7 Abs. 1 erfüllen und auch sonst nicht von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind. Allerdings sind das auch die Erwerbsaufstocker, die dem Gesetzgeber besonders am Herzen liegen, wie die Anfügung eines Abs. 1 Satz 2 zum 1.7.2023 aufzeigt. Solange dies nicht feststeht, haben die Betroffenen keinen förmlichen Beratungsanspruch nach Abs. 2. Das betrifft insbesondere die Fallgestaltung, bei der Hilfebedürftigkeit noch nicht abschließend festgestellt werden kann. Allerdings genügt eine vorläufige Bewilligung (§ 41a). Personen, die erstmals oder nach längerer Unterbrechung erneut Leistungen nach dem SGB II beantragen, bedürfen nach den Erfahrungen der Jobcenter ei...