Rz. 20
Die 2. Erwartung an die selbständige Tätigkeit betrifft die Erreichung des Ziels, Hilfebedürftigkeit in angemessener Zeit zu beseitigen (auch i. S. von Verkürzung) oder zu verringern. Dafür sieht die Gesetzesbegründung etwa ein Jahr vor, wenn die selbständige Tätigkeit bereits seit längerer Zeit ausgeübt wird, ansonsten einen Zeitraum von etwa 2 Jahren. Ein solcher Zeitraum braucht in der Praxis nicht genau fixiert zu werden. Es kommt nach den gesetzlichen Anforderungen letztlich nur darauf an, eine Prognose darüber abzugeben, ob sich die Hilfebedürftigkeit zumindest verringern wird. Ist das zu bejahen, was nach einer entsprechend positiven Stellungnahme der fachkundigen Stelle sehr wahrscheinlich ist, ist Abs. 3 als erfüllt anzusehen. Wichtiger ist ein darauf aufsetzendes Controlling oder Monitoring, das regelmäßig über die Entwicklung der Hilfebedürftigkeit Aufschluss gibt. Die Prognose des Jobcenters ist seiner Ermessensentscheidung zugrunde zu legen. Dazu bedarf es eines vollständig und zutreffend ermittelten Sachverhaltes sowie einer nachvollziehbaren Begründung. Im Rahmen der selbständigen Tätigkeit ist auch die Lage auf dem Arbeitsmarkt einzubeziehen, jedoch kommt es bei Vorliegen einer positiven Stellungnahme der fachkundigen Stelle insoweit nur noch auf die persönliche Eignung des Leistungsberechtigten an (vgl. in diesem Zusammenhang zum Einstiegsgeld LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 31.1.2018, L 32 AS 1345/16).
Rz. 21
Für die Grundsicherungsstellen ist entscheidend, den Zeitpunkt zu erkennen, von einer selbständigen Tätigkeit Abstand zu nehmen, weil sie die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Bedarfsgemeinschaft nicht zu verbessern vermag. Dafür kommt es auf Dauer nicht auf die Eingliederungsleistungen nach den §§ 16b, 16c an, sondern auf Aktivitäten der Grundsicherungsstelle, den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nunmehr in eine abhängige Beschäftigung zu vermitteln, um Hilfebedürftigkeit doch noch zu verringern oder zu vermeiden. Abs. 3 enthält aber keine Rechtsgrundlage dafür, von dem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten die Aufgabe seiner selbständigen Tätigkeit mit der Drohung von Leistungsminderungen zu verlangen. Die §§ 31ff. sind insoweit nicht anwendbar. Ungeachtet dessen können auch dem selbständigen Leistungsberechtigten im Rahmen der Zumutbarkeit nach § 10 abhängige Beschäftigungen vorschlagen, deren Ablehnung eine Pflichtverletzung i. S. der Vorschriften über Leistungsminderungen bedeuten kann. Der selbständige Leistungsberechtigte wiederum darf neben einer abhängigen Beschäftigung auch seine selbständige Erwerbstätigkeit fortführen, dies darf ihm das Jobcenter nicht untersagen.
Rz. 21a
In einem Verfahren zur möglichen grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache i. S. v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG hat das BSG auch Ausführungen zu Abs. 3 gemacht (BSG, Beschluss v. 14.6.2021, B 14 AS 113/20 BH). Für das BSG war nicht erkennbar, dass sich wegen der streitigen Frage, ob ein Anspruch u. a. auf Gewährung von Leistungen zur Eingliederung von Selbständigen bestand, Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung offen waren. Das LSG hatte einen Anspruch auf die Leistung u. a. mit der Begründung verneint, der selbständigen Tätigkeit des Antragstellers fehle die wirtschaftliche Tragfähigkeit. Nach der zugrunde gelegten Rechtsprechung des BSG ist bei der vorzunehmenden Prognose, ob mithilfe der geförderten Tätigkeit Hilfebedürftigkeit überwunden werden kann, auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen (unter Hinweis auf BSG, Urteil v. 5.8.2015, B 4 AS 46/14 R). Im Rahmen des § 16c Abs. 3 Satz 1, wonach eine dauerhafte Überwindung oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit innerhalb eines angemessenen Zeitraums erforderlich sei, kann nichts anderes gelten als nach der zitierten Rechtsprechung zu § 16b.