Rz. 12
Das Bürgergeld umfasst als Leistungen nach § 19 Abs. 1 Satz 3
- Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs entsprechend den festgelegten Regelbedarfsstufen nach Nr. 1 als Kernleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts,
- Leistungen für Mehrbedarfe, z. B. bei Schwangerschaft, Behinderung oder Alleinerziehung sowie für Bedarfe in atypischen Bedarfslagen (§ 21) und
- Leistungen zur Deckung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22).
Leistungen nach § 24 bei einmaligen Bedarfen und für Bildung und Teilhabe nach § 28 werden gesondert erbracht. Im Übrigen gelten die Regelungen für Leistungen zum Bürgergeld nach § 19 Abs. 1 Satz 1 entsprechend, z. B. die gesetzlich geschaffenen Möglichkeiten, Darlehen zu erhalten. Die weiteren Leistungen enthalten die §§ 24 ff. Die Leistungen für Bildung und Teilhabe werden 2025 in der Kindergrundsicherung aufgehen.
Rz. 12a
Die Leistungen für den Regelbedarf enthalten auch einen Betrag zur Gestaltung der privaten Lebensführung sowie der Aufnahme sozialer Kontakte. Davon muss der Leistungsberechtigte Brief- und Postgebühren in vertretbarem Umfang bestreiten, so auch das Porto für die Übersendung der Befreiungsbescheinigung an die GEZ (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 17.7.2014, L 2 AS 262/14 NZB). Aus dem Bürgergeld sind auch die Aufwendungen für eine Notbevorratung im Katastrophenfall zu bestreiten. Die Rechtsprechung sieht jedenfalls in Fällen mit einem Freibetrag von ca. 200,00 EUR monatlich bei einem erwerbstätigen Leistungsberechtigten keinen Bedarf nach § 21 Abs. 6 oder § 24 Abs. 1 (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 22.3.2018, L 7 AS 3032/17).
Rz. 13
Das BVerfG hatte mit Urteil v. 9.2.2010 entschieden, dass die Bemessung des damaligen Sozialgeldes verfassungswidrig war (BVerfG, a. a. O.). Das betraf auch dessen Bemessung für die durch § 74 geschaffene 3. Altersstufe ab 1.7.2009. Das BVerfG hatte festgestellt, dass die damalige sog. Regelleistung für einen alleinstehenden Erwachsenen, der Regelbedarf nach der Regelbedarfsstufe 1, nach § 20 Abs. 2 Satz 1 a. F. mit Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG unvereinbar war. Die Verfassungswidrigkeit beruhte darauf, dass die Regelleistung nicht in verfassungsgemäßer Weise ermittelt worden war, weil von Strukturprinzipien des herangezogenen Statistikmodells ohne sachliche Rechtfertigung abgewichen worden war. Das betraf insbesondere die Kürzung von Ausgabepositionen und die Hochrechnung der ermittelten Beträge anhand der Entwicklung des aktuellen Rentenwertes. Als Folge genügte das seinerzeitige Sozialgeld für Kinder schon deshalb nicht den verfassungsrechtlichen Vorgaben, weil es von der verfassungswidrig ermittelten damaligen sog. Regelleistung abgeleitet war.
Rz. 14
Der festgelegte Prozentsatz in § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Alt. 1 a. F. für Kinder bis zu 13 Jahren beruhte auf keiner vertretbaren Methode zur Bestimmung des menschenwürdigen Existenzminimums von Kindern im Alter bis zu 13 Jahren. Dagegen hatte das BVerfG festgestellt, dass das damalige Sozialgeld für Kinder von 7 bis 13 Jahren auch vor Schaffung der dritten Altersgruppe durch § 74 das zur Sicherung des Existenzminimums Notwendige nicht offensichtlich unterschritt. Es sei nicht ersichtlich, dass der Betrag nicht ausreiche, um den Ernährungsbedarf zu decken. Hinsichtlich der Frage, in welchem Umfang Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen müssten, habe der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum.
Rz. 15
Allerdings habe der Gesetzgeber das Existenzminimum eines minderjährigen Kindes, das mit seinen Eltern in häuslicher Gemeinschaft lebt, weder für die Grundsicherung für Arbeitsuchende noch für die Regelsatzverordnung nach der Ermächtigung im SGB XII konkret anhand tatsächlicher Bedarfe ermittelt, obwohl schon Alltagserfahrungen auf einen besonderen kinder- und altersspezifischen Bedarf hindeuten. Kinder seien keine kleinen Erwachsenen. Ihr Bedarf habe sich an kindlichen Entwicklungsphasen und an dem auszurichten, was für die Persönlichkeitsentfaltung eines Kindes erforderlich ist. Der Gesetzgeber habe hierzu keinerlei Ermittlungen angestellt. Die Bemessung des damaligen Sozialgeldes ließ deshalb eine empirische und methodische Fundierung vermissen, das BVerfG unterstellte dem Abschlag von 40 % gegenüber einem alleinstehenden Erwachsenen eine freihändige Setzung.
Rz. 16
Das BVerfG hatte darauf hingewiesen, dass insbesondere bei schulpflichtigen Kindern ein zusätzlicher Bedarf zu erwarten sei. Es hatte klargestellt, dass notwendige Aufwendungen zur Erfüllung schulischer Pflichten zum existentiellen Bedarf des Kindes gehören, weil es die Schule ohne Deckung der maßgebenden Kosten nicht mit Erfolg besuchen könne und ihm deshalb der Ausschluss von Lebenschancen drohe. Kinder könnten in ihren Möglichkeiten eingeschränkt werden, später ihren Lebensunterhalt aus eigenen Kräften zu bestreiten. Gleichwohl bestand auch 2019 noch eine Lücke im Leistungssystem, soweit Schulbedarfe als einmalige Bedarfe nicht aus der ...