Rz. 49a
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende muss auch einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums decken. Eine entsprechende Anspruchsgrundlage ist für den Bedarf erforderlich, der nicht schon vom bestehenden Leistungsspektrum abgedeckt wird, weil die Einkommens- und Verbrauchsstatistik, auf der die Leistung für den Regelbedarf beruht, allein den Durchschnittsbedarf in üblichen Bedarfssituationen widerspiegelt, nicht aber einen darüber hinausgehenden, besonderen Bedarf aufgrund atypischer Bedarfslagen. Diese Sonderbedarfe unterschieden sich von Abs. 1 schon dadurch, dass sie nicht von den Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs gedeckt werden können. Auch aus Ansparpotenzialen insbesondere aus den Leistungen für den Regelbedarf können die Bedarfe nach Prüfung durch das Jobcenter in diesen Fällen nicht gedeckt werden, weil ansonsten ein solcher Anspruch nicht (oder ggf. nur eingeschränkt) bestehen würde. Jedenfalls ist die Deckungslücke so groß, dass sie durch Ansparungen nicht vollständig geschlossen werden kann. Das BVerfG hat verdeutlicht, dass die Leistungen für den Regelbedarf noch den Anforderungen des Grundgesetzes genügen. Das BVerfG hat entschieden, dass die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, im Ergebnis durch das Regelbedarfsermittlungsgesetz nicht verfehlt werden (BVerfG, Beschluss v. 9.9.2014, 1 BvL 10/12, 12/12). Insgesamt sei die vom Gesetzgeber festgelegte Höhe der existenzsichernden Leistungen tragfähig begründbar. Soweit die tatsächliche Deckung existenzieller Bedarfe in Einzelpunkten zweifelhaft ist, habe der Gesetzgeber eine tragfähige Bemessung der Regelbedarfe bei ihrer anstehenden Neuermittlung auf der Grundlage der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2013 sicherzustellen. Insoweit hat der Gesetzgeber auch gehandelt und das Regelbedarfsermittlungsgesetz für die Festsetzung der Regelbedarfe in 2017 aufgrund weitergehender Erfahrungen und Auswertungsergebnissen mit entsprechenden Veränderungen und Begründungen versehen. Das Grundgesetz verpflichtet den Gesetzgeber dem BVerfG zufolge auch nicht, durch Einbeziehung aller denkbaren Faktoren eine optimale Bestimmung des Existenzminimums vorzunehmen; darum zu ringen sei vielmehr Sache der Politik. Entscheidend sei aber, dass die Anforderungen des Grundgesetzes, tatsächlich für eine menschenwürdige Existenz Sorge zu tragen, im Ergebnis nicht verfehlt würden. Die Festsetzung der Gesamtsumme für den Regelbedarf lasse nicht erkennen, dass der existenzsichernde Bedarf evident nicht gedeckt wäre. Der Gesetzgeber berücksichtige nun für Kinder und Jugendliche auch Bedarfe für Bildung und Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben. Soweit der Gesetzgeber in einzelnen Punkten vom Statistikmodell abweicht, lässt sich die Höhe des Regelbedarfs nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung für den entscheidungserheblichen Zeitraum noch tragfähig begründen. Ergäben sich erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Deckung existenzieller Bedarfe, liege es im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, geeignete Nacherhebungen vorzunehmen, Leistungen auf der Grundlage eines eigenen Index zu erhöhen oder Unterdeckungen in sonstiger Weise aufzufangen. Zudem müsse eine Unterdeckung beim Bedarf an langlebigen Gütern (wie Kühlschrank oder Waschmaschine), für die derzeit nur ein geringer monatlicher Betrag eingestellt werde, durch die Sozialgerichte verhindert werden, indem sie die bestehenden Regelungen über einmalige Zuschüsse neben dem Regelbedarf verfassungskonform auslegten. Fehle diese Möglichkeit, müsse der Gesetzgeber einen existenzsichernden Anspruch schaffen. Ggf. müssen die Gerichte § 24 verfassungskonform auslegen. Das bezieht sich auf Darlehen bei einem unabweisbaren Bedarf. Insoweit lässt sich auch in 2023 feststellen, dass die Sozialgerichte gesetzgeberische Versäumnisse nicht zu korrigieren hatten. Als Besonderheit ist anzuführen, dass durch das BSG Leistungen für Schulbücher bei fehlender Lernmittelfreiheit zugesprochen wurden, der Gesetzgeber hat eine Anspruchsgrundlage ab 1.1.2021 in § 21 Abs. 6a geschaffen. Zudem ist § 21 Abs. 6 Satz 1 zu demselben Zeitpunkt auch für einmalige Bedarfe geöffnet worden. Für sie gilt allerdings, dass als weitere Voraussetzung ein Darlehen nach § 24 Abs. 1 ausnahmsweise nicht zumutbar oder wegen der Art des Bedarfs nicht möglich sein darf.
Rz. 49b
Ein in Sonderfällen auftretender Bedarf nicht in der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe erfassten Art oder atypischen Umfangs wird nicht aussagekräftig ausgewiesen. Er wird von der Leistung für den Regelbedarf nicht erfasst und muss deshalb gedeckt werden, wenn dies im Einzelfall für ein menschenwürdiges Existenzminimum erforderlich ist. Hierfür kommt es auf die individuellen Umstände des Einzelfalles an. Dazu sieht das SGB II eine Reihe weiterer Leistungen vor, die i. d. R. auch einen individuellen, besonderen Bedarf decken. Die Leistun...