Rz. 229h
§ 74 regelt Ansprüche der betroffenen Schutzsuchenden nach dem SGB II abweichend von den Ausschlüssen für die ersten 3 Monate der nicht als Arbeitnehmer oder Selbständige und auch nicht aufgrund § 2 Abs. 3 FreizügG/EU freizügigkeitsberechtigten Ausländer und ihrer Familienangehörigen und ohne Aufenthaltsrecht oder Aufenthaltsrecht nur zur Arbeitsuche.
Rz. 229i
Seit 1.6.2022 werden die Hilfen und Sozialleistungen für hilfebedürftige geflüchtete Menschen aus der Ukraine damit nicht mehr nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, sondern nach dem SGB erbracht. Voraussetzung ist, dass sie erkennungsdienstlich behandelt worden sind und einen Aufenthaltstitel zum vorübergehenden Schutz beantragt haben, ihnen diesbezüglich eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt worden ist oder ihnen ein Aufenthaltstitel zum vorübergehenden Schutz erteilt wurde und sie die sonstigen Voraussetzungen für Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II erfüllen (vgl. § 74). Bei Personen, denen nach dem 24.2.2022 und vor dem 1.6.2022 eine Aufenthaltserlaubnis zum vorübergehenden Schutz erteilt worden ist oder eine entsprechende Fiktionsbescheinigung ausgestellt worden ist und die bislang nicht erkennungsdienstlich behandelt worden sind, genügt eine Speicherung ihrer Daten im Ausländerzentralregister. In diesen Fällen ist eine vorgeschriebene erkennungsdienstliche Behandlung bis zum 31.8.2022 nachzuholen.
Für eine Leistungsgewährung nach dem SGB II kommt es nicht darauf an, dass die geflüchteten Menschen als erwerbsfähige Leistungsberechtigte ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben. In Bezug auf die Erwerbsfähigkeit ist unerheblich, ob die Aufnahme einer Beschäftigung erlaubt ist oder erlaubt werden könnte.
Die Ausnahmeregelung in § 74 Abs. 1 Satz 2 hat keine Auswirkungen auf die Anwendbarkeit des § 7b (bis 30.6.2023: § 7 Abs. 4a) für Ausländer mit Fiktionsbescheinigung bzw. Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine. § 74 Abs. 1 betrifft Personen, die eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 Abs. 1 AufenthG beantragt haben und denen eine sog. Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG ausgestellt wurde. Da bei diesem Personenkreis im Regelfall noch nicht von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland i. S. d. Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 ausgegangen werden kann, stellt § 74 Abs. 1 Satz 2 klar, dass Leistungen nach dem SGB II nicht deswegen ausgeschlossen sind. Wird der gewöhnliche Aufenthalt auf dieser Grundlage angenommen und sind diese Menschen dann grundsätzlich leistungsberechtigt nach dem SGB II, sind die Regelungen zur Ortsabwesenheit uneingeschränkt anwendbar. Liegt für die Betreffenden eine Wohnsitzauflage vor, ist jedoch zu beachten, dass nach § 36 Abs. 2 Satz 1 das Jobcenter zuständig ist, in dessen Gebiet nach den aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen der Wohnsitz zu nehmen ist (vgl. BT-Drs. 20/2445).
Rz. 229j
Das Verfahren zum Aufenthalt in Deutschland vollzieht sich in 4 Schritten mit erster Registrierung, bei Sozialleistungsbezug Verteilung an einen Wohnort, Anmeldung der Wohnanschrift am Zielort und Beantragung einer Aufenthaltserlaubnis.
Ausländer, die sich am 24.2.2022 in der Ukraine aufgehalten haben sowie ukrainische Staatsangehörige, die am 24.2.2022 einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Ukraine hatten, aber die sich zu diesem Zeitpunkt vorübergehend nicht in der Ukraine aufgehalten haben, sind bis zum 31.8.2022 vom Erfordernis einer Aufenthaltserlaubnis befreit. Für das gesamte Gebiet der EU gilt zumindest, dass ukrainische Staatsangehörige sich mit einem biometrischen Pass 90 Tage frei in den Ländern der EU aufhalten und sich innerhalb der EU bewegen dürfen. Insoweit ist eine Erstregistrierung in Deutschland zunächst nicht zwingend notwendig, wenn auch keine Sozialleistungen beansprucht werden. Im Übrigen vgl. die Komm. zu § 74.
Rz. 229k
Die Grundsicherungsträger nach dem SGB II (und SGB XII) sind für eine Prüfung der Voraussetzungen für eine Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII berechtigt, Daten aus dem Ausländerzentralregister in dem aus § 18a AZRG ersichtlichen Umfang abzurufen. Dazu gehören neben den Grundpersonalien auch Angaben zum aufenthaltsrechtlichen Status und zu aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen (vgl. BT-Drs. 20/1918).
Rz. 229l
In Bezug auf die Fragestellung, ob die Beendigung der Leistungserbringung an die geflüchteten Menschen sichergestellt ist, wenn diese Deutschland verlassen, wurde darauf hingewiesen, dass ausländerrechtlich keine Verpflichtung zur Abmeldung für Ausländer besteht, die in ihre Heimat zurückreisen. Die Kenntnis einer solchen Tatsache wird im Ausländerzentralregister erfasst. Dort kann auch ein Ausreisenachweis (Grenzübertrittsbescheinigung oder sonstiger Ausreisenachweis) eingetragen und damit eine freiwillige Ausreise dokumentiert werden. Melderechtlich besteht nach § 17 Abs. 2 Satz 1 des Bundesmeldegesetzes (BMG) bei Wegzug ins Ausland eine bußgeldbewehrte Pflicht zur Abmeldung bei der Meldebehörde. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 2 der Aufenthaltsverordnung teil...