Rz. 309
Wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist, hat keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II. Es kommen Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB XII in Betracht. Das schließt die Zugehörigkeit zu einer Bedarfsgemeinschaft nicht aus, was sich wiederum auf die Leistungen nach § 22 bei Anwendung des Kopfteilprinzips auswirken wird. Bei täglicher Rückkehr in die Wohnung liegt keine Unterbringung i. S. d. Übernahme der Gesamtverantwortung vor (z. B. bei Werkstätten für behinderte Menschen). Es kann auch eine Bedarfsgemeinschaft mit einer erwerbsfähigen Person bestehen. Bei dem Leistungsausschluss handelt es sich um eine gesetzliche Fiktion der Erwerbsunfähigkeit. Eigentlich erwerbsfähige Leistungsberechtigte werden als erwerbsunfähig angesehen und vom Leistungsbezug ausgeschlossen. Daher ist die Fähigkeit zur Aufnahme einer mindestens 3-stündigen Erwerbstätigkeit entscheidendes Prüfkriterium (LSG Baden-Württemberg, Urteil v. 10.6.2011). Die tatsächliche Ausübung einer Erwerbstätigkeit im Umfang von mindestens 15 Stunden wöchentlich, obwohl dies nach dem Konzept des Trägers nicht vorgesehen ist, widerlegt die Vermutung der fehlenden Erwerbsfähigkeit. Ein Leistungsausschluss liegt dann demzufolge nicht vor. Die Rechtsprechung hat zunächst aufgrund der Rechtslage v. 1.1.2005 den sog. funktionalen Einrichtungsbegriff gebildet. Das BSG hat frühzeitig angenommen, dass der Leistungsausschluss auf der Annahme basiert, Hilfebedürftigkeit liege wegen der Unterbringung nicht vor. Die stationär untergebrachten Menschen unterfallen z. B. der Pflegeversicherung oder erhalten Leistungen nach dem SGB XII. Die Regelung erfasst aber auch Jugendliche, die nach den §§ 34, 35a oder 41 SGB VIII stationär untergebracht sind. Ebenso erfasst die Regelung Aufenthalte in der stationären Einrichtung während einer Haftunterbrechung. Die erforderlichen Feststellungen haben insbesondere auch Bedeutung für die Annahme einer Bedarfsgemeinschaft und die Berücksichtigung von Einkommen (gewöhnlicher Aufenthalt des Sohnes in einer stationären Einrichtung der Behindertenhilfe, gewöhnlicher Aufenthalt des Ehemannes in einer stationären Pflegeeinrichtung, vgl. BSG, Urteile v. 16.4.2013, B 14 AS 81/12, und 71/12). Bei vollstationären Einrichtungen übernimmt der Einrichtungsträger die Gesamtverantwortung für die Lebensführung des Untergebrachten. Typischerweise sind Gemeinschaftseinrichtungen vorhanden. Hierbei ist das Therapiekonzept dafür ausschlaggebend, ob der Hilfebedürftige für eine Erwerbstätigkeit in Betracht kommt, insbesondere aufgrund des typischen Tagesablaufs. Ist das der Fall, trägt der Leistungsberechtigte einen Teil der Gesamtverantwortung selbst; ein Leistungsausschluss liegt mangels stationärer Einrichtung i. S. d. Vorschrift nicht vor. Ist die Einrichtung jedoch so gestaltet und strukturiert, dass dem Untergebrachten eine Erwerbstätigkeit von mindestens 3 Stunden täglich nicht möglich ist, ist der Leistungsberechtigte kraft gesetzlicher Fingierung von Erwerbsunfähigkeit dem SGB XII zugewiesen (BSG, Urteil v. 6.9.2007, B 14/7b AS 16/07 R). Zu einem Leistungsausschluss führt auch der Aufenthalt in einem Adaptionshaus (zur medizinischen Entwöhnung suchtkranker Menschen), wenn die Einrichtung die Gesamtverantwortung für die Bewohner übernommen hat (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil v. 26.2.2019, L 10 AS 711/16).
Rz. 309a
Nimmt sich die Einrichtung zugunsten der Entwicklung einer selbstständigen Lebensweise ihrer Patienten in allen wesentlichen Bereichen des alltäglichen Lebens nach Möglichkeit zurück und stattdessen eher eine unterstützende und beratende Rolle als eine führende Rolle ein, greift der Träger mit seinem Therapiekonzept nicht in die tägliche Lebensführung und Integration des Patienten ein. Das steht der Übernahme der Gesamtverantwortung entgegen (LSG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss v. 10.4.2018, L 14 AS 516/17 B ER, zum Aufenthalt in einer Adaptionseinrichtung).
Rz. 310
Für die Abgrenzung von stationären zu teilstationären Maßnahmen ist die Intensität der Betreuung ohne Belang, sie muss anhand zeitlicher Kriterien erfolgen. Allein zeitlich begrenzte Hilfen ohne organisatorische Anbindung und umfassende Betreuung stellen eine Leistungserbringung in ambulanter Form dar. Ein teilstationäres Betreutes Wohnen wäre nur vorstellbar, wenn sich die Hilfe in einer Einrichtung auf zeitlich klar abgrenzbare Abschnitt e beschränken würde, was aber nur schwer vorstellbar ist, wenn betrachtet wird, dass eine Person auch dann an einem Ort wohnt, wenn sie sich kurzfristig oder zeitabschnittsweise an einem anderen Ort aufhält (BSG, Urteil v. 23.7.2015).
Rz. 311
Aufgrund seiner Fremdbestimmung steht der Leistungsberechtigte für Integrationsbemühungen nach den §§ 14ff. nicht oder nicht ausreichend zur Verfügung. Einen Gegenbeweis eröffnet Abs. 4 Satz 3 Nr. 2 mittels tatsächlicher Erwerbstätigkeit. Ein Leistungsberechtigter, der zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten vollstationär untergebracht ist, unterfällt nicht...