Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 13 SGB 5. fehlerhaftes Verhalten des Versicherungsträgers. Verwirkung. keine Kenntnis des Versicherten vom Versicherungsschutz. Wegfall der Beitragspflicht
Leitsatz (amtlich)
Zum Wegfall einer Beitragspflicht durch Verwirkung und fehlerhaftes Verhalten eines Versicherungsträgers, aufgrund dessen der Versicherte von dem Versicherungsschutz keine Kenntnis hat.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 11. Oktober 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller auch für die Beschwerdeinstanz seine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Der 1963 geborene Antragsteller war bis 11. Mai 2009 als Bezieher von Arbeitslosengeld bei der Antragsgegnerin pflichtversichert. Im August 2009 ging bei der Antragsgegnerin ein Formblatt ein, in dem der Antragsteller unter “5. Ich mache etwas anderes„ eingetragen hatte: “Warte, dass meine Bandscheiben wieder von selbst ausheilen! Also keine Arbeit, keine Versicherung.„ Unter dem 2. Dezember 2009 schrieb die Antragsgegnerin dem Antragsteller:
“Sie waren zuletzt bis zum 11. Mai 2009 bei uns versichert.
Verfügen Sie anschließend über keinen anderen Krankenversicherungsschutz? Dann sind Sie auch weiterhin automatisch bei uns versichert.
Bitte senden Sie die beiliegenden Fragebögen ausgefüllt und unterschrieben an mich zurück. Wir benötigen diese Angaben für Ihren weiteren Versicherungsschutz und für die Berechnung der Höhe ihrer Beiträge. Vielen Dank!„
In den Verwaltungsakten der Beklagten findet sich ein Vermerk mit folgendem Wortlaut: “Laut Tel. seit 12.5.09 ohne Versicherung. Lebt von den Einkünften seiner Lebensgefährtin„. Unter dem 23. Dezember 2009 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass er seit 11. Mai 2009 kein Kunde der Antragsgegnerin und ab diesem Tag die Versichertenkarte nicht mehr gültig sei. Es werde um Rückgabe der Versichertenkarte gebeten.
Am 28. Dezember 2009 meldete der Antragsteller als Gewerbe einen Würstchenstand beim Bürgerbüro H. an. Am 1. Juni 2010 erhielt die Antragsgegnerin eine “Anzeige zur Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V„. Darin teilte der Antragsteller mit, er verfüge seit 28. Dezember 2009 über Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 700,00 EUR monatlich. Von G. C. habe er für die Zeit vom 12. Mai bis 27. Dezember 2009 freie Unterkunft und Verpflegung erhalten. Seit 28. Dezember 2009 sei er als Imbissbetreiber selbstständig tätig. Sofern er die Möglichkeit habe, freiwilliges Mitglied zu werden, gelte diese Anzeige als Beitrittserklärung zur freiwilligen Versicherung. Mit Bescheid vom 9. Juni 2010 stellte daraufhin die Antragsgegnerin die Mitgliedschaft ab 12. Mai 2009 fest. Ab 15. Juli 2010 seien laufende Beiträge in Höhe von 182,68 EUR für die Kranken- und 28,10 EUR für die Pflegeversicherung monatlich fällig. Für die Zeit vom 12. Mai 2009 bis 31. Mai 2010 werde um Überweisung von 2.138,76 EUR gebeten. Überschrieben ist der Bescheid mit “Ihre freiwillige Krankenversicherung„. Eine Rechtsmittelbelehrung enthält der Bescheid nicht. Mit Anschreiben vom 1. September 2010 übersandte die Beklagte dem Antragsteller eine Ratenzahlungsvereinbarung, nach der der Antragsteller anerkennen solle, dass er der Antragsgegnerin Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 2.332,76 EUR inklusive Säumniszuschläge und Vollstreckungskosten schulde und er sich verpflichte, den Gesamtrückstand mit monatlichen Raten in Höhe von 30,00 EUR zu tilgen. Der Antragsteller verweigerte die Unterzeichnung der Vereinbarung und erhob im September 2010 (undeutlicher Eingangsstempel der Antragsgegnerin) Widerspruch gegen die Beitragszahlung vom 12. Mai 2009 bis 31. Mai 2010. Zur Begründung führte er aus, er habe in dem genannten Zeitraum nicht gewusst, dass er überhaupt noch krankenversichert sei und habe auch keine Leistungen in Anspruch genommen. Die Antragsgegnerin bestätigte den Eingang des Widerspruchs und erläuterte dem Antragsteller die Rechtslage dahingehend, dass die Mitgliedschaft nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V ohne Anzeige oder Meldung bestehe. Hinsichtlich der Höhe der Beiträge seien nach § 227 SGB V die Regelungen des § 240 SGB V maßgebend.
Bereits am 2. September 2010 hatte der Antragsteller beim Sozialgericht Kiel sinngemäß beantragt, im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Gesamtbeitragsrückstand in Höhe von 2.332,76 EUR nicht weiter einzufordern und Vollstreckungsmaßnahmen zu unterlassen. Vor Juni 2010 habe er sich nicht krankenversichern lassen, da es ihm finanziell nicht möglich gewesen sei. Er sehe aber nicht ein, für die Zeit davor Beiträge nachzuzahlen. Da ihm mit der Mahnung vom 23. August 2010 Vollstreckungsmaßnahmen angekündigt worden seien, sei er auf eine schnelle Entscheidung angewiesen. Dazu hat der Antragsteller die Mahnung der Antragsgegnerin vom 23. August 2010 (befindet sich nicht in den Verwaltungsakten...