Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Bestattungskosten. Verweis auf vorrangig Verpflichtete

 

Leitsatz (amtlich)

Ein die Anspruchsberechtigung ausschließender Verweis auf vorrangig Verpflichtete kann allenfalls dann in Betracht kommen, wenn im Zeitpunkt, in dem der Bedarf eintritt, die Existenz und die Identität eines vorrangig Verpflichteten bereits endgültig und unwiderruflich feststeht.

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe

vom 26. August 2015 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen

Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger vom Beklagten die Übernahme von Kosten für die Bestattung seines verstorbenen Vaters beanspruchen kann.

Der 1991 geborene Kläger ist Sohn des am ... 2011 in der ...-Klinik S... in H... verstorbenen W... S.... Dieser bezog bis zu seinem Tod Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII), die die Stadt K... im Auftrag des Beklagten gewährt hatte.

Angehörige des Verstorbenen waren neben dem Kläger seine beiden Halbschwestern, die 1973 geborene Frau S... S... und Frau Prof. Dr. C... S... sowie die Geschwister des Verstorbenen, die 1948 geborene Frau U... S... und der 1931 geborene Herr H... S.... All diese Personen (einschließlich des Klägers) schlugen das Erbe nach dem Verstorbenen gegenüber dem Nachlassgericht (Amtsgericht N...) aus bzw. haben es - wie insbesondere Herr H... S... und dessen Kinder - während dieses Rechtsstreits ausgeschlagen. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben des Amtsgerichts N... vom 23. September 2019 (Bl. 182 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Bereits am 14. Juni 2011 hatte der Kläger beim Beklagten die Übernahme der Bestattungskosten beantragt. Im Rahmen der Antragstellung legte er ein unverbindliches Angebot für eine Feuerbestattung sowie einen Antrag auf Erwerb des Grabnutzungsrechts auf dem Friedhof der E...-L... Kirchengemeinde K... für 25 Jahre vor. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 16 ff. der Leistungsakte Bezug genommen.

Der Kläger gab in der Folgezeit die Bestattung in Auftrag. Für die Durchführung der Bestattung stellte das G... Bestattungsinstitut rV dem Kläger mit Schreiben vom 15. Juli 2011 einen Betrag von 2.091,00 EUR in Rechnung. Wegen der einzelnen abgerechneten Leistungen wird auf die Rechnung (Bl. 31 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen. Mit Gebührenbescheid vom 2. August 2011 berechnete die E...-L... Kirchengemeinde K... dem Kläger für den Erwerb der Grabstätte, das Ausheben und Schließen der Grabstelle für eine Urnenbeisetzung sowie für allgemeine Friedhofsgebühren einen Betrag von 855,50 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 34 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Der Kläger war im Jahr 2011 Auszubildender. Er bezog eine Ausbildungsvergütung in Höhe von monatlich 348,39 EUR. Das Konto des Klägers wies im Zeitraum Mai bis August 2011 ein Guthaben von maximal 377,57 EUR auf. Außerdem verfügte er über einen Bausparvertrag mit einem Guthaben von 1.153,69 EUR.

Der Beklagte schrieb am 21. Juni 2011 Frau S... S... und Frau Prof. Dr. C... S... an, um deren Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu ermitteln. S... S... teilte dem Beklagten mit, dass sie aus ihrer Tätigkeit als Justizbeamtin ein Nettoentgelt in Höhe von 1.954,71 EUR erziele. Als Belastungen bzw. Ausgaben gab sie eine monatliche Miete in Höhe von 450,00 EUR, die Tilgung eines Privatkredits in Höhe von monatlich 331,00 EUR, Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von monatlich 387,72 EUR, Beiträge zur Kfz-Haftpflicht- sowie zur Unfallversicherung in Höhe von monatlich 34,50 EUR bzw. 30,17 EUR, sowie einen Beitrag zur Riesterrente in Höhe von monatlich 162,17 EUR an. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 114 ff. der Leistungsakte Bezug genommen. Nach der Scheidung ihrer Eltern sei der Kontakt mit ihrem Vater vollständig abgebrochen. Unterhalt habe er trotz entsprechender Verpflichtung nicht gezahlt. Deshalb sei sie selbst im Falle der Leistungsfähigkeit nicht unterhaltspflichtig und nicht zur Zahlung der Bestattungskosten verpflichtet. Prof. Dr. C... S... gab keine Erklärung zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen ab. In Antwortschreiben an den Kläger auf dessen Bitte, sich an den Bestattungskosten zu beteiligen, verneinten sowohl S... S... als auch Prof. Dr. C... S... ihre Leistungspflicht. Sie seien nicht zahlungsbereit.

Mit Bescheid vom 19. August 2011 lehnte der Beklagte gegenüber dem Kläger die Übernahme der Bestattungskosten für seinen verstorbenen Vater ab. Zur Begründung wies er darauf hin, dass die erforderlichen Kosten für eine Bestattung nur übernommen werden könnten, wenn die Übernahme dieser Kosten dem oder den Verpflichteten nicht zugemutet werden könne. Er - der Kläger - gehöre neben seiner Halbschwester S... S... zu den Verpflichteten im Sinne des bürgerlichen Rechts. Nachweise, aus denen die wirtschaf...

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