Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf Erziehungsgeld für einen Ausländer mit Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG
Orientierungssatz
1. Nach der Günstigkeitsregelung des § 24 Abs. 3 BErzGG bestimmt sich der Erziehungsgeldanspruch nach § 1 Abs. 6 BErzGG a. F. , wenn die Neuregelung der Vorschrift durch das Gesetz vom 13. 12. 2006 für den Antragsteller ungünstiger gewesen wäre.
2. Nach dem Beschluss des BVerfG vom 6. 7. 2004 soll das Erziehungsgeld zwar grundsätzlich nur denjenigen Ausländern zukommen, von denen erwartet werden kann, dass sie auf Dauer in Deutschland bleiben. Dabei wäre es aber verfassungswidrig, den Personenkreis allein dadurch zu erfassen, dass formal an die Art eines Aufenthaltstitels angeknüpft wird.
3. Daher ist der Personenkreis des Art. 1 Abs. 6 BErzGG verfassungskonform auch Ausländer anzuwenden, die im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG sind.
Tenor
Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10.08.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 02.02. bis 14.10.2006 für das Kind Axel (geb. 15.10.2004) Erziehungsgeld (Regelbetrag) zu gewähren. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt der Beklagte.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über einen Anspruch auf Erziehungsgeld vom 02.02. bis 14.10.2006.
Die 1978 geborene Klägerin ist togoische Staatsangehörige, verheiratet und hat 4 Kinder. Das jüngste Kind B. wurde am 15.10.2004 geboren und ist körperbehindert. Die Klägerin reiste im August 2000 nach Deutschland ein und beantragte die Anerkennung als Asylberechtigte. Der Asylantrag wurde am 01.06.2005 (bestandskräftig) abgelehnt. Während des Asylverfahrens war die Klägerin im Besitz einer "Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens", danach im Besitz einer "Duldung". Jegliche Erwerbstätigkeit war ihr ausdrücklich untersagt. In der Person des Kindes B. bestehen Abschiebungshindernisse gem. § 60 Abs. 7 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Axel ist seit 02.02.2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG. Die Klägerin ist seit 02.02.2006 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG, verbunden mit der Gestattung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit. Die Klägerin war und ist nicht erwerbstätig, bezieht keine Leistungen nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) und nimmt auch keine Elternzeit in Anspruch. Die Familie bezieht Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) unter Anrechnung von Einkommen des Ehemanns der Klägerin, das dieser aus einer erlaubten Erwerbstätigkeit erzielt.
Am 31.07.2006 beantragte die Klägerin Erziehungsgeld für das 1. und das 2. Lebensjahr von B. in Höhe des Regelbetrages.
Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 10.08.2006 ab mit der Begründung, die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 6 Satz 2 des Bundeserziehungsgeldgesetzes (BErzGG) in der zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung (a.F.); sie sei weder im Besitz einer Niederlassungserlaubnis noch einer Aufenthaltserlaubnis im Sinne von § 1 Abs. 6 Satz 2 Nrn. 1 bis 4 BErzGG (a.F.)
Dagegen legte die Klägerin am 22.08.2006 Widerspruch ein. Sie verwies auf den Entwurf eines Gesetzes, durch das u.a. § 1 Abs. 6 BErzGG geändert werden solle, und bat um Aussetzung der Entscheidung über den Widerspruch bis zum Inkrafttreten des Gesetzes.
Nachdem dieses Gesetz erlassen war, wies der Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30.05.2007 zurück mit der Begründung, die Klägerin erfülle auch nicht die Voraussetzungen des neu geregelten § 1 Abs. 6 BErzGG, der rückwirkend zum 01.01.2006 in Kraft getreten sei.
Dagegen hat die Klägerin am 25.06.2007 Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass weder die Neuregelung, noch die bis 31.12.2005 geltende Fassung des § 1 Abs. 6 BErzGG verfassungsgemäß sei. Beide Regelungen entsprächen nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) im Beschluss vom 06.07.2004 (1 BvR 2515/95), mit dem es die ab 27.06.1993 geltende Regelung der Voraussetzungen des Erziehungsgeldanspruchs für Ausländer für verfassungswidrig erklärt habe. Die Klägerin meint, dass weder die Nachfolge- noch die Neuregelungen dazu mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) vereinbar seien. Auch wenn sie seit 02.02.2006 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG besitze, sei ihr Aufenthalt in Deutschland doch auf Dauer ausgerichtet. Eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG entspreche der früheren Aufenthaltsbefugnis nach dem Ausländergesetz (AuslG). Die Versagung von Erziehungsgeld für Personen, die im Besitz (nur) einer Aufenthaltsbefugnis gewesen seien, habe das BVerfG im Beschluss vom 06.07.2004 für unvereinbar mit dem Gleichheitssatz gehalten.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.08.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2007 zu verurteilen, ihr Erziehungsgeld für die Zeit vom 02.02. bis 14.10.2006 für das Kind B...