Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhausvergütungsstreit. Aufrechnung von Vergütungsansprüchen mittels (Sammel-)Zahlungsavis. Bestimmtheit der Aufrechnungserklärung. Erkennbarkeit des Aufklärungswillens. keine analoge Anwendung von Auffangvorschriften des BGB (hier: § 366 Abs 2 BGB) seit Inkrafttreten der spezielleren Regelungen der PrüfvVbg
Orientierungssatz
1. Im Abrechnungsverfahren zwischen Krankenhaus und Krankenkasse ist bei der Aufrechnung von Vergütungsansprüchen für eine analoge Anwendung der Auffangvorschriften des BGB, speziell auch die des § 366 Abs 2 BGB, seit Inkrafttreten der "Vereinbarung über das Nähere zum Prüfverfahren nach § 275 Absatz 1c SGB V (Prüfverfahrensvereinbarung - PrüfvV) gemäß § 17c Absatz 2 KHG" (juris: PrüfvVbg) kein Raum mehr.
2. Nach § 9 S 2 PrüfvVbg ist der unstreitige Leistungsanspruch des Krankenhauses, mit dem der Erstattungsanspruch der Krankenkasse aufgerechnet werden soll, genau zu bestimmen. Fehlt es an der erforderlichen hinreichenden Bestimmtheit, so ist eine von der Krankenkasse erklärte Aufrechnung unwirksam. Die Unwirksamkeit der Aufrechnung bewirkt, dass der Vergütungsanspruch des Krankenhauses noch nicht erfüllt ist und die Krankenkasse zur Zahlung zu verurteilen ist.
Nachgehend
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin 830,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.09.2016 zu zahlen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Der Streitwert wird auf 830,23 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung von Krankenhausbehandlungen.
Die Klägerin betreibt ein zugelassenes Krankenhaus. Dort wurde vom 13.05. bis 24.05.2016 der bei der Beklagten versicherte G.C. (Fall-Nr. 50424766) stationär behandelt. Hierfür stellte die Klägerin der Beklagten 2.629,59 EUR in Rechnung (Rechnungs-Nr. 15195191) unter Zugrundelegung der Fallpauschale (DRG) F73Z. Die Beklagte beglich die Rechnung in voller Höhe. Sie beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Prüfung der Abrechnung. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass die Behandlung zwar nach der zutreffenden Fallpauschale abgerechnet worden sei, jedoch die notwendige Verweildauer überschritten worden sei; bei strafferer Durchführung der Diagnostik wäre am 19.05.2016 die Entlassung möglich gewesen. Die Beklagte errechnete hieraus eine um 830,23 EUR zu viel gezahlte Vergütung. Mit Schreiben vom 03.08.2016 machte sie gegenüber der Klägerin einen entsprechenden Rückforderungsanspruch geltend und forderte sie auf, ihr diesen Betrag gutzuschreiben. Als die Klägerin der Forderung nicht nachkam, kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 07.09.2016 unter Bezugnahme auf "§ 9 PrüfvV" und den Behandlungs-/Abrechnungsfall "G.C., Rechnungsnummer: 0015195191" gegenüber der Klägerin an, sie werde ihren vermeintlichen Erstattungsanspruch aus diesem Behandlungsfall in Höhe von 830,23 EUR aufrechnen; sie erklärte: "Wir verweisen hierzu aus das von Ihnen von unserem Finanzbereich übermittelte Avis." Mit Schreiben vom 09.09.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie habe ihm 79.307,88 EUR auf sein Konto überwiesen. In der folgenden 5-seitigen Aufstellung finden sich Rechnungsdaten (aus 2016), Rechnungsnummern und Fallnummern sowie Geldbeträge, die mehr als sechzig Behandlungsfälle von Versicherten der Beklagten betreffen. Vor einige der Geldbeträge findet sich ein Minus-Zeichen, die übrigen sind Positivbeträge. Die Saldierung der positiven und negativen Beträge ergibt den Zahlbetrag 79.307,88 EUR. Die Aufstellung vom 09.09.2016 enthält auf Blatt 4 den Buchungstext: - 24.05.2016 0015195191 SAMU:0001437299 1.799,36 50424766 - 24.05.2016 0015195191 SAMU:0001437299 -2.629,59 50424766 Die Aufstellung enthält überwiegend Vergütungsbeträge aus Behandlungsfällen, die zwischen den Beteiligten nach Grund und Höhe unstreitig sind und die in der Summen den Betrag der von der Beklagten geltend gemachten und zur Aufrechnung gestellten Forderung von 830,23 EUR weit übersteigen.
Am 25.04.2017 hat die Klägerin Klage auf Zahlung von 830,23 EUR erhoben. Sie ist der Auffassung, in dieser Höhe Anspruch auf (Rest-)Vergütung für die in dem Zahlungsavis vom 27.05.2016 aufgeführten unstreitigen Behandlungsfälle zu haben. Die Aufrechnung genüge nicht den Vorgaben des § 9 Satz 2 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2015, es fehle an einer wirksamen Aufrechnung. Unabhängig davon habe der Beklagten habe ein Rückerstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall "G.C., Fall-Nr. 50424766, nicht zugestanden, da die Verweildauer nicht durch die Ablauforganisation, sondern durch das Krankheitsbild des Patienten bedingt gewesen sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihm 830,23 EUR nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.09.2016 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die vorgenommene Aufrechnung sei wirksam....