Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Einkommenseinsatz. Aufwandsentschädigung für Teilnahme an Medikamentenstudie. keine zweckbestimmte Leistung. kein immaterieller Schaden gem § 253 BGB
Orientierungssatz
1. Bei einer für die Teilnahme an Medikamentenstudien auf vertraglicher Vereinbarung geleisteten Aufwandsentschädigung handelt es sich um Einkommen iS des § 82 SGB 12.
2. Die Aufwandsentschädigung stellt keine zweckbestimmte Einnahme gem § 83 SGB 12 dar.
3. Die Vergütung stellt keine Entschädigung dar, die gem § 253 Abs 2 BGB wegen eines Schadens geleistet wird, der nicht Vermögensschaden ist.
Tenor
I. Die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 23. März 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. August 2010 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der 1961 geborene Kläger bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Ergänzend erhält er von der Beklagten ab 01.01.2009 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Bewilligungsbescheid vom 01.09.2009 für die Zeit ab 01.01.2010 bis 31.12.2010 in Höhe von 111,73 EUR; Bewilligung von 119,73 EUR mit Änderungsbescheid vom 14.12.2009 für die Zeit ab 01.03.2010).
Bereits bei Antragstellung hatte der Kläger angegeben, dass er gelegentlich an Medikamentenstudien teilnehme.
Am 01.03.2010 teilte er mit, dass er nun an einer weiteren Medizinstudie teilnehmen werde und hieraus eine Aufwandsentschädigung von insgesamt 1.250,00 EUR erhalten werde. Nachweislich der vorgelegten Kontoauszüge sind dem Kläger folgende Beträge zugeflossen:
- 300 EUR am 22.02.2010
- 780 EUR am 08.03.2010
- 250 EUR am 12.03.2010
Nach Anhörung des Klägers erließ die Beklagte am 23.03.2010 einen Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid, mit dem sie unter Anrechnung dieser Einkünfte die Bewilligungsentscheidung ab 01.02.2010 bis 31.03.2010 vollständig aufhob und die bewilligten Leistungen in Höhe von insgesamt 231,46 EUR für diese beiden Monate vom Kläger zurückforderte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.08.2010 wies die Regierung von Schwaben den Widerspruch gegen diese Entscheidung zurück.
Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner am 03.09.2010 beim Sozialgericht eingegangenen Klage.
In der Sache macht er geltend, dass es sich bei der erhaltenen Aufwandsentschädigung nicht um Einkommen im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB XII handle. Er verweist zur Begründung auf ein Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 20.11.2007 (S 42 AS 60/07).
Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 28.09.2010.
Mit Schreiben vom 11.10.2010 übersandte der Kläger Fahrtkostenbelege und einen Nachweis über die Erstattung dieser Fahrtkosten in Höhe von 80,00 EUR. Der Vertrag über die Medizinstudie könne nicht mehr vorgelegt werden, da er weder bei ihm noch bei dem Unternehmen noch vorliege.
Das Gericht hat die Streitsache am 28.10.2010 mündlich verhandelt.
In der mündlichen Verhandlung beantragt der Kläger,
den Bescheid vom 23.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.08.2010 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Behördenakten und die Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Anfechtungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Die Aufhebung und Rückforderung der Grundsicherungsleistungen für die Zeit ab 01.02.2010 bis 31.03.2010 mit Bescheid vom 23.03.2010 in Höhe von 231,46 EUR erfolgte rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Insbesondere ist die Anrechnung der in den Monaten Februar und März 2010 zugeflossenen Zahlungen für die Teilnahme an der Medizinstudie nicht zu beanstanden.
Diese Zahlungen stellen Einkünfte in Geld und damit rechtlich Einkommen gemäß § 82 SGB XII dar.
Danach gehören zum Einkommen zunächst alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Ausgenommen sind hiervon insbesondere die Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes vorsehen und Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.
Einer dieser Ausnahmefälle liegt vorliegend erkennbar nicht vor.
Es handelt sich bei der streitgegenständlichen Aufwandsentschädigung auch nicht um eine nach Zweck und Inhalt bestimmte Leistung gemäß § 83 Abs. 1 SGB XII. Danach sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient.
Dabei ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass die Zwecksetzung einer Leistung nur dann im Sinne des § 83 Abs. 1 SGB XII beachtlich sein kann, wenn mit der Leistung ein Bedarf gedeckt werden soll, der sich von den durch die Leistungen der Sozialhilfe zu deckenden Bedarfen unterscheidet. Nur dann soll dem Empfänger der Leistung diese Bedarfsde...