Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf bei dezentraler Warmwassererzeugung. Feststellung eines von der Warmwasserpauschale abweichenden Bedarfs. Rückgriff auf die einer Studie der Energieagentur NRW zu entnehmenden prozentualen Verbrauchsanteile für die Warmwassererzeugung. Angemessenheit. Ableitung von Grenzwerten aus dem Stromspiegel für Deutschland
Orientierungssatz
1. Die Prüfung des Mehrbedarfs für Warmwasser erfolgt im Rahmen einer Schätzung in zwei Schritten. Im ersten Schritt ist ein von der Warmwasserpauschale abweichender Bedarf festzustellen. Sofern ein solcher besteht, ist im zweiten Schritt die Angemessenheit zu prüfen.
2. Dabei ist im ersten Schritt bei einer in Ermangelung einer separaten Verbrauchserfassung nur möglichen Schätzung des Anteils eines elektrischen Durchlauferhitzers am Gesamtstromverbrauch ein Rückgriff auf die in der Studie der Energieagentur NRW „Erhebung - Wo im Haushalt bleibt der Strom?“ ausgewiesenen prozentualen Verbrauchsanteile für die Warmwassererzeugung sachgerecht.
3. Die Prüfung der Angemessenheit erfolgt, indem aus dem „Stromspiegel für Deutschland“, welcher bundesweit gültige Vergleichswerte für den Stromverbrauch von Privathaushalten liefert, Grenzwerte für den Stromverbrauch der Warmwassererzeugung abgeleitet werden und diese eine sog Nichtprüfgrenze markieren.
Tenor
1. Der Beklagte hat der Klägerin unter Abänderung der Bescheide vom 4. Januar 2019 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Februar 2019 und des Änderungsbescheides vom 18. Dezember 2019 betreffend den Zeitraum vom 1. Januar 2019 bis 31. Dezember 2019 weitere Leistungen in Höhe von insgesamt 151,95 EUR hinsichtlich des Mehrbedarfs wegen dezentraler Warmwassererzeugung gemäß § 21 Abs.7 Zweites Buch Sozialgesetzbuch zu gewähren.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat der Klägerin ein Fünftel der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Streitig zwischen den Beteiligten ist der Mehrbedarf Warmwasser betreffend den Leistungszeitraum Januar 2019 und Dezember 2019.
Die 1968 geborene Klägerin steht im laufenden Bezug von Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II.
Am 08.10.2018 legte die Klägerin die Stromrechnung 2017/2018 vor betreffend das Verbrauchsjahr 2017/2018. Der Stromtarif beträgt ab 01.01.2018 20,84 ct/kwh netto (24,80 ct/kwh brutto), der Stromabschlag ab 18.10.2018 beläuft sich auf 108,00 EUR brutto monatlich.
Am 18.12.2018 führte der Beklagte bei der Klägerin einen Wohnungsbesuch durch. Dabei wurde festgestellt, dass das Warmwasser in Bad und Küche durch einen elektrischen Durchlauferhitzer erzeugt wird und die Gastherme in der Küche die Heizkörper mit Warmwasser versorgt. Im Haushalt sind ein Herd, eine Waschmaschine, eine Mikrowelle ein Fernsehgerät und ein PC vorhanden. Die Klägerin erklärte, dass sie letztes Jahr für zwei oder drei Monate einen Heizungsausfall hatte und deshalb die Wohnung mit einem Elektroheizkörper beheizt werden musste.
Mit Bescheid vom 04.01.2019 bewilligte der Beklagte Leistungen zur Grundsicherung nach dem SGB II betreffend den Leistungszeitraum Januar 2019 bis Dezember 2019 und setzte als Mehrbedarf Warmwassererzeugung einen Betrag in Höhe von 9,75 EUR monatlich an.
Der Bevollmächtigte erhob hiergegen am 16.01.2019 Widerspruch und begründete diesen damit, dass ein zu geringer Mehrbedarf für die dezentrale Warmwasserversorgung gewährt werde. Ausgehend von dem Abschlag ab Oktober 2018 in Höhe von 108,00 EUR sei der nicht im Regelbedarf enthaltene Stromanteil als Mehrbedarf für dezentrale Warmwassererzeugung anzusetzen.
Der Beklagte teilte mit Schreiben vom 06.02.2019 mit, dass ein höherer tatsächlicher Verbrauch nicht nachgewiesen sei. Es bestehe Unklarheit inwieweit ein zusätzlicher Bedarf für Warmwasser unter Anwendung des
§ 27 Abs.2 SGB II anerkannt werden könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.02.2019 wies der Beklagte die Widersprüche der Klägerin betreffend den Leistungszeitraum 01.11.2018 bis 31.12.2019 zurück. Der Ermittlungsdienst habe die Wohnung der Klägerin am 18.12.2018 besucht, in der Wohnung haben sich keine von der Norm abweichenden Geräte befunden, jedoch habe die Klägerin angegeben im vergangenen Winter Elektroheizkörper benutzt zu haben. Der Vermieter sei jedoch für das Funktionieren der Heizungsanlage zuständig. Ein erhöhter Warmwasserverbrauch sei nicht nachgewiesen.
Mit Bescheid vom 18.12.2019 änderte der Beklagte den Bescheid vom 04.01.2019 betreffend den Leistungszeitraum 01.10.2019 bis 31.12.2019 aufgrund eines neuen Heizkostenabschlages in Höhe von 75 EUR ab.
Hiergegen hat der Bevollmächtigte am 18.02.2019 Klage erhoben. Der Bevollmächtigte hat ausgeführt, dass der nicht vom Regelbedarf enthaltene Anteil an den Stromkosten als Mehrbedarf für die dezentrale Warmwasserversorgung zu übernehmen sei. Ein konkreter Nachweis über die tatsächliche Höhe des Mehrbedarfs sei unter Zugrundelegung der Entscheidung des BSG, Urteil vom 07.12.2017 (B 14 AS 6/17 R) nicht zu erbringen, da dies regelmäßig nicht...