Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den betrieblichen Zusammenhang eines Überfalls zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls
Orientierungssatz
1. Die Anerkennung eines Unfallereignisses als Arbeitsunfall erfordert eine sachliche Verknüpfung der zum Unfall führenden Verrichtung mit der versicherten Tätigkeit. Der sachliche Zusammenhang einer Verrichtung mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit ist dann entbehrlich, wenn sich eine besondere Betriebsgefahr verwirklicht. Der erforderliche Zusammenhang besteht auch bei einem Überfall, der außerhalb der Arbeitsstätte und der Arbeitszeit erfolgt und ein betriebsbezogenes Tatmotiv aufweist (Anschluss BSG Urteil vom 18. November 2008, B 2 U 27/07 R).
2. Ein betriebsbezogenes Tatmotiv und damit der notwendige sachliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit ist u. a. dann gegeben, wenn ein Einbrecher es bei einem Überfall des Versicherten in dessen Wohnung erkennbar auf die Erbeutung der Tageseinnahmen aus der von ihm betriebenen Tankstelle abgesehen hat. Hat er bei dem Überfall keinerlei private Wertgegenstände an sich genommen und war sein Eindringen in die Wohnung ersichtlich auf die Herausgabe der Betriebseinnahmen gerichtet, so war sein Einbruch betrieblich motiviert. In einem solchen Fall ist der erforderliche Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit zu bejahen.
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 26.08.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 17.12.2009 werden aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 28.03.2009 ein Arbeitsunfall war.
3. Als Folge des Arbeitsunfalls wird festgestellt:
Abgeklungene Anpassungsstörung mit Angst und depressiver Reaktion, gemischt.
4. Die Beklagte hat dem Kläger dessen zur Rechtsverfolgung notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Anerkennung eines Arbeitsunfalls. Der am 12.11.1953 geborene Kläger ist seit 1988 Pächter einer T.-Tankstelle in Aurich-Q., seine Ehefrau ist bei ihm angestellt. Das Wohnhaus der Eheleute befindet sich ebenfalls in Q., in ca. 700 m Entfernung zur Tankstelle. Das Büro der Tankstelle befindet sich im Wohnhaus der Eheleute.
Am 14.03.2009, als sich die Eheleute auf einer Boßeltour befunden hatten, wurde in ihr Wohnhaus eingebrochen. Es wurde die gesamte Wohnung durchsucht. Gestohlen wurden eine Wechselgeldkasse sowie das Portemonnaie der Ehefrau des Klägers. Insgesamt erbeuteten der oder die Täter ca. 400,00 Euro sowie einige Geldkarten. Täter konnten bisher nicht ermittelt werden. Der Einbruch erfolgte dabei über die vom Wohnzimmer zum Garten führende Terrassentür. Die Tür wurde zunächst notdürftig von innen verriegelt.
Am 28.03.2009 verrichtete der Kläger seine Tätigkeit an der Tankstelle, seine Ehefrau befand sich abends in dem gemeinsamen Wohnhaus. Gegen 20:20 Uhr erfolgte ein Anruf des Klägers bei seiner Ehefrau, in dem er diese bat, ihn abzuholen und ihm zu helfen, die Tankstelle zu verschließen. Die Klägerin fuhr sodann zur Tankstelle. Als der Kassenabschluss erfolgen sollte, fiel auf, dass der USB-Stick zu Hause vergessen worden war. Die Ehefrau des Klägers fuhr deshalb um wenige Minuten vor 21:00 Uhr zum Wohnhaus zurück. Sie hatte dort bereits zuvor im Gebäude das Licht angelassen. Nunmehr ging sie in das Wohnhaus, nahm den USB-Stick und kehrte sofort zur Tankstelle zurück. Nachdem die Eheleute den Kassenabschluss getätigt hatten, kehrten sie gegen 5 Minuten nach 21:00 Uhr zurück zu ihrem Wohnhaus. Sie betraten das Gebäude durch die Vordertür. Die Frau des Klägers ging in die Küche, legte dort die Wechselgeldkasse auf den Tisch, und begab sich sodann durch eine Seitentür aus der Küche hinaus in den Garten, um eine Harke in den Schuppen zu stellen. Währenddessen hatte sich der Kläger die Schuhe ausgezogen, und ging in das Wohnzimmer. Seine Ehefrau war unterdessen aufgefallen, dass die Terrassentür, die durch den ersten Einbruch bereits geschädigt und notdürftig von innen verschlossen wurde, erneut aufgebrochen war. Sie rief zu ihrem Mann, dass “schon wieder ins Haus eingebrochen„ worden sei. Sie betrat sodann das Gebäude über die Terrassentür zum Wohnzimmer. Nun öffnete sich die Wohnzimmertür und es trat ein mit einer Sturmhaube maskierter Mann hervor, der mit einer Schusswaffe und einem Messer bewaffnet war. Er forderte den Kläger und seine Ehefrau auf, ihm Geld zu übergeben. Beide waren sehr aufgeregt und schrien. Der Täter deutete ihnen, ruhig zu bleiben, er wolle nur Geld. Dabei sprach er den Satz: “Ich bin Profi, Sie sind Profi.„ Sodann ging der Täter mit den Eheleuten in die Küche, wo er ein rotes Lederetui mit der Aufschrift der Sparkasse an sich nahm. Hierbei handelte es sich um die Wechselgeldkasse der Tankstelle für den nächsten Tag. Es befanden sich 250,00 € in dem Etui. Der Täter verlangte nach mehr Geld. Er fand eine sich in der Küche befindliche Geldkassette. Der Kläger versuchte dem Täter zu erklären, dass diese Geldkassette leer sei. Die Tageseinnahmen befänden sich nicht im Haus der Eheleute. Seine Ehefrau bot dem ...