Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. unangemessene Unterkunftskosten. Kostensenkungsverfahren. Ablauf der Übergangsfrist von 6 Monaten. Anwendung der Übergangsregelung zum vereinfachten Verfahren für den Zugang zu sozialer Sicherung aufgrund des Coronavirus SARS-CoV-2
Leitsatz (amtlich)
1. § 67 Abs 3 SGB 2 findet auch auf Weiterbewilligungszeiträume Anwendung.
2. Die tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sind trotz Ablaufs der Kostensenkungsfrist vorübergehend zu übernehmen, sofern der Weiterbewilligungszeitraum in der Zeit vom 1. März bis zum 30. Juni 2020 beginnt und bislang die tatsächlichen Aufwendungen anerkennt wurden.
Tenor
Der Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für den Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. September 2020, längstens jedoch bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache monatlich weitere 195,08 EUR für Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe
I.
Die Antragsteller begehren die Gewährung von höheren Kosten für Unterkunft und Heizung.
Die Antragsteller, eine alleinerziehende und allein sorgeberechtigte Mutter mit zwei minderjähren Kindern, beziehen seit Oktober 2018 vom Antragsgegner Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Die Antragsteller leben nach dem Auszug von Familienmitgliedern im Juni 2019 zu dritt in einer Drei-Zimmer-Wohnung, für die sie derzeit monatlich 990,00 EUR bruttowarm aufwenden müssen.
Mit Schreiben vom 25. Juli 2019 und 2. September 2019 hatte der Antragsgegner die Antragsteller auf die nach Maßgabe des SGB II unangemessen hohen Mietkosten hingewiesen und hatte sie aufgefordert, die Kosten zu senken. Zugleich hatte der Antragsgegner angekündigt, die tatsächlichen Unterkunftskosten nur noch bis einschließlich März 2020 an Bedarf anzuerkennen.
Die Antragsteller bemühten sich nachfolgend darum, eine kostenangemessene Wohnung zu finden.
Am 6. März 2020 beantragten die Antragsteller die Weiterbewilligung von Leistungen beim Antragsgegner. Mit Bescheid vom 18. März 2020 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 23. April 2020 bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern Arbeitslosengeld II für die Monate April 2020 bis März 2021. Er berücksichtigte als Bedarf für Unterkunft und Heizung nur noch den nach den Verwaltungsvorschriften des Landes Berlin als angemessen angesehenen Bedarf von monatlich insgesamt 794,92 EUR bruttowarm.
Hiergegen erhoben die Antragsteller Widerspruch, der erfolglos blieb. Der Widerspruchsbescheid vom 24. April 2020 wurde den Antragstellern am 29. April 2020 bekannt gegeben.
Am 12. Mai 2020 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Sie tragen vor, trotz intensiver Bemühungen im angespannten Berliner Wohnungsmarkt keine nach den Maßstäben des SGB II angemessene Wohnung gefunden zu haben. Zur Glaubhaftmachung haben sie acht Einladungen zu Wohnungsbesichtigungen in der Zeit von November 2019 bis Februar 2020 vorgelegt. Sie tragen vor, alle Besichtigungstermine wahrgenommen, den Zuschlag jedoch nicht bekommen zu haben. Wegen der Covid 19-Pandemie würden derzeit keine Wohnungsbesichtigungen angeboten, den Antragstellern sei eine Kostensenkung daher derzeit nicht möglich. Untervermietungsmöglichkeiten bestünden nicht.
Die Antragsteller beantragen,
den Antragsgegner zu verpflichten, unter Änderung seines Bescheides vom 18. März 2020 sowie 23. April 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2020 den Antragstellern ab 1. April 2020 weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung von monatlich 195,08 EUR zu gewähren.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung verweist er darauf, dass die Aufwendungen der Antragsteller für Unterkunft und Heizung fürsorgerechtlich unangemessen teuer seien. Die Überschreitung des Grenzwertes sei erheblich. Die Bemühungen der Antragsteller, eine neue Wohnung zu finden, seien nicht ausreichend. Zu fordern seien in der Regel mindestens zwei Dokumentationen zur Wohnungssuche pro Woche. Intensive Bemühungen um neuen Wohnraum seien nicht glaubhaft gemacht. Die Regelungen zum erleichterten Zugang zu SGB II-Leistungen würden für die seit Jahren im Leistungsbezug stehenden Antragsteller keine Anwendung finden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die vom Antragsgegner übersandte Verwaltungsakte verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag hat im Wesentlichen Erfolg.
1. Der nur im Namen der Antragstellerin zu 1) gestellte Antrag war dahin auszulegen, dass er auch im Namen der minderjährigen Kinder gestellt wurde. Zwar ist zivilrechtlich allein die Antragstellerin zu 1) Mieterin der Wohnung. Sozialrechtlich entstehen die Bedarfe für Unterkunft und Heizung jedoch kopfteilig bei jedem Mitglied der Bedarfsge...