Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Prozesskostenhilfevergütungsanspruch. Verfahrensgebühr. keine Anwendbarkeit des verminderten Gebührenrahmens der Nr 3103 RVG-VV. Verbindlichkeit des Antrages auf Vergütungsfestsetzung durch beigeordneten Rechtsanwalt
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn bei mehreren Streitgegenständen im Klageverfahren der Rechtsanwalt nicht in sämtlichen vorausgegangenen Widerspruchsverfahren die Vertretung übernommen hatte, bestimmt sich die Verfahrensgebühr nach Nr 3102 RVG-VV und nicht nach Nr 3103 RVG-VV.
2. Auch im Vergütungsfestsetzungsverfahren besteht eine Bindung an den Antrag des beigeordneten Rechtsanwalts. Bestehen Anhaltspunkte dafür, dass die Festsetzung einer bestimmten Kostenposition ausdrücklich nicht begehrt wird, ist ein Positionstausch nicht zulässig. Jedenfalls scheidet ein Positionstausch aus, wenn nicht festgestellt werden kann, ob die statt der geforderten Position festzusetzende Gebühr oder Auslage tatsächlich entstanden ist.
Tenor
Auf die Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 10. Dezember 2009 (Az. S 58 AL .../09) wird die vom Erinnerungsführer an den Erinnerungsgegner zu gewährende Vergütung auf 740,00 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Erinnerung zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig ist zwischen den Beteiligten die Höhe der dem beigeordneten Erinnerungsgegner zu gewährenden Vergütung.
Der Klägerin wurde durch Beschluss des Sozialgerichts vom 13.07.2009 Prozesskostenhilfe gewährt und der Erinnerungsgegner als Rechtsanwalt beigeordnet. Der Erinnerungsgegner hatte namens der Klägerin im April 2009 Klage gegen zwei Sperrzeitbescheide der Beklagten eingereicht. Der erste Bescheid betraf eine zwölfwöchige Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe gem. § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Der zweite Bescheid gleichen Datums beinhaltete eine einwöchige Sperrzeit wegen verspäteter Arbeitssuchendmeldung gem. § 144 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB III. Den Widerspruch gegen den letztgenannten Bescheid hatte der Erinnerungsgegner für die Klägerin eingelegt, während sie das andere Widerspruchsverfahren selbst geführt hatte.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung im November 2009 schlossen die Beteiligten einen Vergleich. Darin wurde der Bescheid über die zwölfwöchige Sperrzeit aufgehoben und die Klage im Übrigen zurückgenommen.
Mit Formularantrag vom 22.11.2009 beantragte der Erinnerungsgegner die Festsetzung seiner Vergütung nach folgender Berechnung:
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Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG |
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420,00 EUR |
Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG |
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290,00 EUR |
Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG |
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270,00 EUR |
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
Summe |
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1.000,00 EUR |
Mit Beschluss vom 10. Dezember 2009 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die dem Erinnerungsgegner zu gewährende Vergütung auf den Betrag von 800,00 EUR fest. Dabei legte sie folgende Berechnung zugrunde:
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Verfahrensgebühr nach Nr. 3103/3102 VV RVG |
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330,00 EUR |
Terminsgebühr nach Nr. 3106 VV RVG |
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200,00 EUR |
Einigungsgebühr nach Nr. 1006 VV RVG |
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250,00 EUR |
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG |
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20,00 EUR |
Summe |
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800,00 EUR |
Zur Begründung führte die Urkundsbeamtin u. a. aus, dass entgegen der Ansicht des Erinnerungsgegners die Mittelgebühren nach Nr. 3102 VV RVG und Nr. 3103 VV RVG nicht zu addieren seien. Für das Klageverfahren sei nur eine Verfahrensgebühr festzusetzen, wobei zu berücksichtigen sei, dass sich das Verfahren auf zwei Widerspruchsverfahren bezogen habe. In Anbetracht der ausführlichen Klagebegründung, des Arbeitsaufwandes für die Prüfung von zwei Widerspruchsbescheiden werde eine Gebühr von 330,00 € für angemessen gehalten. Die Einigungsgebühr werde auf 250,00 € festgesetzt, da insbesondere der Ausgang des Verfahrens mit der Aufhebung der zwölfwöchigen Sperrzeit für die Klägerin eine hohe wirtschaftliche Bedeutung gehabt habe.
Gegen diesen Vergütungsfestsetzungsbeschluss richtet sich die Erinnerung des Bezirksrevisors vom 25. Januar 2010. Der Erinnerungsführer meint, es komme Nr. 3103 VV RVG zum Tragen, da der beigeordnete Rechtsanwalt bereits in einem Widerspruchsverfahren tätig gewesen sei. Die Tätigkeit bezüglich des zweiten Widerspruchsverfahrens könne über eine leicht über der Mittelgebühr liegende Verfahrensgebühr von 200,00 € berücksichtigt werden. Die vom Erinnerungsgegner vorgenommene Addition der Verfahrensgebühren verstoße gegen den Grundsatz kostensparender Kostenführung. Die Mehrwertsteuer nach Nr. 7008 VV RVG sei trotz des insoweit fehlenden Antrags zu berücksichtigen, da hier Absetzungen zu tätigen und alle dem Rechtsanwalt zustehenden Gebühren und Auslagen zu berechnen seien. Die Einigungsgebühr betrage nur 190,00 €. Insgesamt folge daraus eine Vergütung von 725,90 € (200 € Verfahrensgebühr, 200 € Terminsgebühr, 190 € Einigungsgebühr, 20 € Auslagenpauschale, 115,90 € Umsatzsteuer).
Der Erinnerungsgegner verteidigt den angefochtenen Beschluss. Die Ansicht des Erinnerungsführers führe...