Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Vergütung. Abrechnung der hausärztlichen Versichertenpauschale. persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt. keine Mindestzeit. Chroniker-Zuschlag. Dokumentation des Hausarztwechsels
Leitsatz (amtlich)
Zur Abrechnung der hausärztlichen Versichertenpauschale.
Orientierungssatz
1. Für die Annahme eines persönlichen Arzt-Patienten-Kontakts sind keine Mindestzeiten vorgesehen. Zwar muss es zu einer „direkten Interaktion“ zwischen Arzt und Patient, welche auch ein kuratives Tätigwerden durch den Arzt erfordert, gekommen sein, allerdings kann die Befragung eines Patienten sowie die daran geknüpfte Einschätzung, ob eine Arbeitsunfähigkeit gegeben ist, innerhalb weniger Minuten erfolgen.
2. Ein Vertragsarzt kann nicht mit Erfolg geltend machen, der Hausarztwechsel sei durch die Kennzeichnung der GOP mit einem „H“ dokumentiert. Die Kennzeichnung mit dem „H“ stellt lediglich den Nachweis der erfolgten Dokumentation dar, ersetzt diese jedoch nicht.
Tenor
Der Honoraraufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 28.04.2016 für die Quartale I/2012 bis III/2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2018 wird aufgehoben.
Der Honoraraufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 28.04.2016 für die Quartale IV/2014 bis III/2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2018 wird insoweit aufgehoben, als
das ärztliche Honorar für das Quartal IV/2014 um mehr als 648,33 Euro,
das ärztliche Honorar für das Quartal I/2015 um mehr als 1.325,82 Euro,
das ärztliche Honorar für das Quartal II/2015 um mehr als 1.185,15 Euro,
das ärztliche Honorar für das Quartal III/2015 um mehr als 994,14 Euro
gekürzt wurde.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Hinzuziehung des Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
Der Streitwert wird auf 336.268,58 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Honorarrückforderung in den Quartalen I/2012 bis III/2013 und IV/2014 bis III/2015 i.H.v. insgesamt 336.268,58 Euro. Konkret geht es um die Frage, ob die Beklagte berechtigt war, die Vergütung des Klägers auf den Fachgruppendurchschnitt zu kürzen, weil dieser die erforderlichen Leistungen für die Abrechnung der Versichertenpauschale nicht erbracht und die sog. Chroniker-Ziffern teilweise zu Unrecht abgerechnet habe.
Der Kläger nimmt seit dem 01.07.1978 als Facharzt für Allgemeinmedizin an der vertragsärztlichen Versorgung teil. In den streitgegenständlichen Quartalen verfügte er über kein Praxispersonal. Die Patienten konnten bei ihm ohne vorherige Vereinbarung eines Termins vorbeikommen. Seine Praxis hatte der Kläger dahingehend organisiert, dass die Patienten teilweise auch im Flur warteten und dann in der Reihe ihres Erscheinens vom Kläger behandelt wurden. Dabei saß der Kläger teilweise direkt am Anmeldetresen, wo er auch mit den Patienten sprach. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Klägers lag in den Tagen mit vielen Patienten insbesondere in der Feststellung von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen aufgrund von Diagnosen wie z.B. Erkältungsschnupfen oder Übelkeit.
In den streitgegenständlichen Quartalen rechnete er an einigen Tagen die Versichertenpauschale über 100 Mal ab. Im Quartal I/2012 ergab sich an vier Tagen zu Beginn des Quartals an vier Tagen eine solch hohe Patientenzahl (103, 108, 113, bzw. 101 Patienten). Im Quartal II/2012 gab es zwei „Spitzentage“ (129, bzw. 113 Patienten). Im Quartal III/2012 behandelt der Kläger nur an einem Tag über 100 Patienten (133), im Quartal IV/2012 waren es wieder zwei Tage (113, bzw. 103 Patienten). Im Quartal I/2013 gab es fünf „Spitzentage“ zu Anfang des Quartals (125, 131, 107, 116, bzw. 103 Patienten), im Quartal II/2013 8 dieser Tage (135, 115, 130, 125, 119, 149, 106 bzw. 107 Patienten) und im Quartal III/2013 2 (123 bzw. 102 Patienten). Im Quartal IV/2014 behandelte der Kläger an 14 Tagen mehr als 100 Patienten pro Tag (112, 206, 230, 181, 148, 167, 141, 154, 109, 129, 122, 116, 104 bzw. 110 Patienten). Auch im Jahr 2015 kam es zu vielen solcher „Spitzentage“: Im Quartal I/2015 waren es 18 Tage (218, 178, 115, 198, 148, 142, 144, 153, 116, 133, 130, 127, 102, 116. 110, 109, 103 bzw. 111 Patienten), im Quartal II/2015 17 Tage (122, 131, 180, 184, 185, 143, 142, 145, 119, 112, 127, 114, 118, 105, 104, 104 bzw. 105 Patienten) und im Quartal III/2015 11 Tage (182, 190, 126, 128, 109, 107, 112, 101, 114, 105 bzw. 105 Patienten). Diesen Spitzentagen standen andere Tage gegenüber, in denen teilweise auch nur 20 bis 30 Patienten am Tag die Praxis des Klägers aufsuchten.
Mit Schreiben 25.02.2015 setzte die Beklagte den Kläger davon in Kenntnis, dass im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung nach § 106a SGB V a.F. das Überschreiten des Auffälligkeitskriteriums i.H.v. 46.800 Minuten je Quartal in den Quartalen I/2012 bis III/2013 und IV/2014 bis III/2015 festgestellt worden sei. Der Kläger wies im Rahmen der Anhörung auf die durchgeführten Samstagssprechstunden hin.
Mit Bescheid v...