Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch des eingetragenen Lebenspartners eines verstorbenen Landwirts auf Gewährung der Hinterbliebenenrente unter Berücksichtigung eines Zuschlags nach § 97 ALG
Orientierungssatz
1. Eine Bewilligung der Hinterbliebenenrente ohne Gewährung eines Zuschlags nach § 97 Abs 5 ALG für den eingetragenen Lebenspartner eines verstorbenen Landwirts stellt eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen Lebenspartnern und Ehegatten dar. Sachliche Gründe, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.
2. Die Ungleichbehandlung zwischen eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten verstößt gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG (vgl BVerfG vom 7.5.2013 - 2 BvR 909/06 ua = BVerfGE 133, 377 und vom 19.6.2012 - 2 BvR 1397/09 = BVerfGE 131, 239).
3. Mit den Regelungen der §§ 14a und 1a ALG hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass eine Gleichstellung von Lebenspartnern und Ehegatten zunächst nur im Bereich der Hinterbliebenenrenten und ab 1.1.2013 generell beabsichtigt war.
4. Die Gesetzesbegründung zur Einführung des § 14a ALG lässt jedoch nicht erkennen, dass Altrechtsfälle von der Gleichstellung ausgenommen sein sollten. Vielmehr stellt der Gesetzgeber ausdrücklich klar, dass die eingetragene Lebenspartnerschaft dieselben Ansprüche auslösen soll wie eine Ehe.
Tenor
Der Bescheid vom 4.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2010 wird abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Hinterbliebenenrente ab dem 1.7.2010 unter Berücksichtigung eines Zuschlags nach § 97 ALG und eines Verheiratetenzuschlags unter Anrechnung der bereits gewährten Leistungen zu gewähren.
Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob der Kläger als Lebenspartner eines verstorbenen Versicherten bei der Beklagten Anspruch auf Hinterbliebenenrente mit einem Zuschlag nach § 97 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte - ALG und eines Verheiratetenzuschlags hat.
Der spätere Lebenspartner des Klägers beantragte am 23.7.1999 Altersrente, die in der Folge auch bewilligt wurde.
Am 28.8.2008 begründeten der Kläger und sein Lebenspartner eine Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG. Dieser Umstand wurde der Beklagten nicht mitgeteilt.
Am 15.6.2011 erfuhr die Beklagte vom Tod des Lebenspartners des Klägers und schrieb diesen hinsichtlich seines Anspruchs auf Hinterbliebenenrente an, nachdem sich aus dem Schreiben des Bestattungsunternehmers der Hinweis auf die mittlerweile bestehende Lebenspartnerschaft ergab.
Am 5.7.2010 beantragte der Kläger förmlich eine Hinterbliebenenrente.
Bei der Beklagten stellte sich im Verlauf des Verwaltungsverfahrens die Frage, ob der Kläger Anspruch auf Hinterbliebenenrente unter Berücksichtigung der Zuschläge nach § 97 ALG habe. Nach einer Rücksprache mit dem Spitzenverband der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (LSV-SpV) kam die Beklagte zum Ergebnis, dass der Kläger keinen Anspruch auf die Zuschläge nach § 97 ALG habe. Dies folge allerdings nicht schon daraus, dass in der Gleichstellungsregelung des damaligen § 14a ALG die Norm des § 97 ALG nicht ausdrücklich genannt sei, sondern vielmehr daraus, dass es sich bei den Regelungen des § 97 ALG um Übergangsrecht handele, da geschaffen worden sei, um Vertrauenstatbestände zu erfassen, die bei Inkrafttreten des ALG zum 1.1.1995 bereits Rechtspositionen erworben hatten. Dies sei beim Kläger nicht der Fall, weil bis zum Inkrafttreten des LPartG am 1.8.2001 kein Anspruch des Klägers auf Gleichstellung mit einem Ehepartner bestanden habe, mithin dieser auch keine nach altem (d.h. bis zum 31.12.1994 geltendem) Recht erworbene Rechtsposition innegehabt habe, hinsichtlich derer er Vertrauensschutz genieße.
Mit Bescheid vom 4.10.2010 wurde dem Kläger daher Hinterbliebenenrente vollständig nach neuem, d.h. ab dem 1.1.1995 geltendem, Recht gewährt. Ein Zuschlag nach § 97 ALG, insbesondere auch des Verheiratetenzuschlags, wurde bei der Berechnung nicht berücksichtigt.
Am 11.10.2010 legte der Kläger gegen diesen Bescheid Widerspruch ein und begehrte unter Hinweis auf einen Beschluss des niedersächsischen Landtags die Gewährung einer Hinterbliebenenrente entsprechend den Regelungen für einen Ehepartner.
Mit Widerspruchsbescheid vom 1.12.2010 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung machte sich die Beklagte die Ausführungen des dem Spitzenverbandes der landwirtschaftlichen Sozialversicherung zu Eigen.
Am 28.12.2010 hat der Kläger - vertreten - die vorliegende Klage erhoben. Er ist weiterhin der Auffassung, dass die Gewährung einer Hinterbliebenenrente ohne die Zuschläge eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung zwischen Lebenspartnern und Ehegatten darstelle.
Er beantragt daher,
den Bescheid vom 4.10.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1.12.2010 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Hinterbliebenenrente ab dem...