Entscheidungsstichwort (Thema)
Umfang einer für das Verwaltungsverfahren erteilten Vollmacht
Orientierungssatz
1. Eine für das Verwaltungsverfahren bei einer Behörde eingereichte Vollmacht reicht über das Verwaltungsverfahren nicht hinaus; Verwaltungs- und Vorverfahren sind voneinander getrennte Verfahren.
2. Die im Verwaltungsverfahren vorgelegte Vollmacht berechtigt nach § 13 Abs. 1 S. 2 SGB 10 nur zur Vornahme der das originäre Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen. Die Behörde ist daher berechtigt, sich erstmals für das Widerspruchsverfahren den Nachweis einer Bevollmächtigung erbringen zu lassen. Wird vom Bevollmächtigten eine solche Vollmacht der Behörde nicht vorgelegt, ist der von ihm erhobene Widerspruch als unzulässig zurückzuweisen.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zulässigkeit eines Widerspruchs.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragte am 09.08.2005 die Rücknahme eines Bescheides der Beklagten vom 07.06.2005 gemäß § 44 SGB X. Dem Antrag war eine vom Kläger unterzeichnete Vollmacht per Telefax beigefügt. Mit Bescheid vom 31.03.2006 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Hiergegen legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers am 04.05.2006 per Telefax Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 19.05.2006 bestätigte die Beklagte den Eingang des Widerspruchs und erbat unter Fristsetzung bis einschließlich zum 20.06.2006 um den schriftlichen Nachweis der Bevollmächtigung im Original. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers reagierte mit Schreiben vom 16.06.2006, erhob "Fachaufsichtsbeschwerde wegen Behördenwillkür" und verwies auf die bereits vorgelegte Vertretungsvollmacht. Eine weitere Vollmacht wurde im Vorverfahren nicht eingereicht. Die Beklagte verwarf den ihres Erachtens unzulässigen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.2007.
Der Kläger hat am 08.10.2007 Klage erhoben. Er ist der Ansicht, dass die Vorlage einer weiteren Vollmacht für das Vorverfahren nicht erforderlich gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11.09.2007 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der den Kläger betreffende Verwaltungsvorgang lag bei Entscheidungsfindung vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten sowie die Sitzungsniederschrift zum Erörterungstermin vom 30.05.2008 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Gericht konnte den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden. Denn die Beteiligten haben hierzu im Erörterungstermin vom 30.05.2008 ihr Einverständnis erklärt, § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
II.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 11.09.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Widerspruch vom 04.05.2006 ist unzulässig. Eine Bevollmächtigung zur Einlegung des Rechtsbehelfs ist auf Verlangen der Beklagten und unter Fristsetzung nicht nachgewiesen worden. Die zuvor für das Verwaltungsverfahren eingereichte Vollmacht reichte hierzu nicht aus.
Das Verwaltungs- und das Vorverfahren sind voneinander getrennte Verfahren. Eine Aufforderung zur erneuten, doppelten bzw. willkürlichen Vollmachtsvorlage kann in der Anforderung der Beklagten vom 19.05.2006 nicht gesehen werden. Vielmehr war die Beklagte berechtigt, sich erstmals für das Widerspruchsverfahren den Nachweis einer Bevollmächtigung erbringen zu lassen. Die mit der Antragsschrift vom 09.08.2005 vorgelegte Vollmacht berechtigte gemäß § 13 Abs. 1 S. 2 SGB X zur Vornahme aller das originäre Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen. § 13 SGB X gilt für das Vorverfahren jedoch nicht. Für das Widerspruchsverfahren als förmlicher Rechtsbehelf gegen Verwaltungsakte im Sinne des SGB X findet das SGG Anwendung, § 62 SGB X. Die Vollmacht im gerichtlichen Verfahren - und Vorverfahren - ist schriftlich zu erteilen und zu den Akten bis zur Verkündung der Entscheidung einzureichen; sie kann auch zur Niederschrift des Gerichts - bzw. der Widerspruchsstelle - erteilt werden, § 73 Abs. 2 S. 1 SGG. Trotz ausdrücklicher Aufforderung und Fristsetzung wurde diese Bevollmächtigung gleichwohl nicht vorgelegt bzw. zu Protokoll erklärt.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 193 Abs. 1 S. 1, § 183 S. 1 SGG.
Die Berufung ist zulässig, § 143 SGG.
Fundstellen