Entscheidungsstichwort (Thema)
Schwerbehindertenrecht. Merkzeichen G. Anspruch auf kostenlose Wertmarke für Bezieher von Hilfen zur Pflege nach § 61 SGB 12 in Pflegeheimen. mittelbare Berücksichtigung von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB 12. Gleichstellung mit Sozialhilfeempfängern
Orientierungssatz
1. Die Voraussetzungen für die Ausgabe einer kostenlosen Wertmarke sind nicht nur bei den Personen erfüllt, die tatsächlich Leistungen für den laufenden Lebensunterhalt in unmittelbarer Anwendung des Dritten oder Vierten Kapitels des SGB 12 beziehen, sondern auch bei solchen Personen, die diese Leistungen nur in entsprechender Anwendung dieser Vorschriften erhalten, aber materiell-rechtlich weitgehend Sozialhilfeempfängern gleichgestellt sind (vgl BSG vom 06.10.2011 - B 9 SB 6/10 R = SozR 4-3250 § 145 Nr 3 sowie B 9 SB 7/10 R = BSGE 109, 154 = SozR 4-3250 § 145 Nr 2).
2. Hierzu zählen auch Personen, die in einer stationären Einrichtung untergebracht sind und Hilfe zur Pflege nach § 61 SGB 12 beziehen.
Tenor
1. Der Bescheid des Beklagten vom 14.11.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2017 wird abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Kosten für die Erteilung eines Beiblattes mit Wertmarke in Höhe von 80,- € zu erstatten.
2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Erstattung der Kosten für eine Wertmarke zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr für die Zeit November 2017 bis einschließlich Oktober 2018.
Bei dem H. geborenen Kläger ist seit 1980 ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit dem Merkzeichen „G“ festgestellt.
Der Kläger lebt in einem Heim für Pflegebedürftige bzw. psychisch Kranke (I.). Er bezog ab August 2013 eine Altersrente, deren Höhe 1381,38 € monatlich betrug sowie eine Rente aus einer privaten Rentenversicherung in Höhe von 231,39 € pro Monat. Der Landkreis Goslar gewährte dem Kläger mit Bescheid vom 16.11.2017 ab dem 01.10.2017 zur Deckung der Heimkosten (Pflegestufe 1) unter Anrechnung seines Einkommens Hilfe zur Pflege gem. § 61 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i.V.m. § 19 Abs. 3 und Abs. 5 SGB XII.
Die gesetzliche Betreuerin des Klägers beantragte mit Schreiben vom 09.10.2017, wie bereits in den Vorjahren, die Ausstellung einer kostenlosen Wertmarke für den Kläger.
Diesen Antrag des Klägers lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 14.11.2017 ab.
Mit Bescheid vom 17.11.2017 bewilligte der Landkreis Goslar als zuständiger Sozialhilfeträger dem Kläger ein Darlehen in Höhe von 80,00 € für die Anschaffung der Wertmarke. Diesen Betrag überwies der Kläger am 21.11.2017 an den Beklagten.
Gegen den Bescheid vom 14.11.2017 legte der Kläger am 27.11.2917 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheides vom 15.12.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung der Ablehnung führte der Beklagte im Wesentlichen an, dass der Kläger keinen Anspruch auf eine kostenlose Wertmarke zur Beförderung im öffentlichen Personenverkehr habe. Er erfülle nicht die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Befreiung von der Kostenpflicht. Aus dem vorliegenden Berechnungsbogen aus Oktober 2017 ergebe sich, dass der Kläger keinen Anspruch auf Leistungen nach dem 3. Kapitel oder 4. Kapitel des Zwölften Buches SGB habe. Er beziehe weder laufende Leistungen für den Lebensunterhalt noch laufende Leistungen zur Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Der Kläger erhalte Hilfe zur Pflege gem. § 61 SGB XII, was keinen Anspruch auf die Ausstellung einer unentgeltlichen Wertmarke begründe. Ein Beiblatt mit unentgeltlicher Wertmarke könne nicht ausgestellt werden.
Der Kläger hat am 08.01.2018 Klage erhoben, mit der er die Erstattung des von ihm gezahlten Betrags von 80,00 € verlangt.
Der Kläger trägt zur Klagebegründung im Wesentlichen vor, dass er einen Anspruch auf Erstattung der Kosten für die erworbene Wertmarke habe, da ihm ein Beiblatt mit unentgeltlicher Wertmarke für die Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs zustehe. Ausweislich des Bescheides des Landkreises Goslar vom 16.11.2017 erhalte er einen Grundbarbetrag nach § 27b Abs. 2 SGB XII in Höhe von 110,43 € pro Monat. Demnach beziehe er Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII. Zudem ergebe sich aus dem Berechnungsbogen des LK Goslar vom 16.11.2017 nicht, ob ihm ein Anspruch nach dem Dritten Kapitel SGB XII zustehe, vielmehr werde dort nur die Berechnung der zustehenden Sozialleistungen in der Gesamtheit ausgewiesen. Bei richtiger Berechnung, nämlich bei Einkommensanrechnung ausgehend von dem Verhältnis der jeweiligen Bedarfe zum Gesamtbedarf, ergäben sich nach dem SGB XII anteilige Ansprüche auf Hilfe zum Lebensunterhalt und auf Hilfe zur Pflege. Bereits das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen habe mit Urteil vom 19.12.2016 zum Aktenzeichen L 10 SB 54/15 entschieden, dass er einen Anspruch auf die unentgeltliche Wertma...