Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Krankenversicherung: Genehmigungsfiktion bei nicht rechtzeitiger Entscheidung über einen Leistungsantrag durch die gesetzliche Krankenkasse. Genehmigungsfiktion einer Hautstraffung nach Gewichtsreduzierung

 

Orientierungssatz

1. Die Frist zur Bearbeitung eines Leistungsantrags durch die gesetzliche Krankenversicherung kann nur durch eine Mitteilung der Krankenkasse verlängert werden, aus der sich neben dem Grund der Verzögerung auch ein eindeutig benannter Tag ergibt, bis zu dem eine Entscheidung ergehen wird.

2. Um eine Genehmigungsfiktion bei nicht fristgerechter Entscheidung über beantragte Leistungen aus einer gesetzlichen Krankenversicherung auszulösen, müssen die beantragten Leistungen lediglich subjektiv erforderlich sein. Das ist bereits dann gegeben, wenn die Leistungen nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenkassen liegen und im konkreten Einzelfall sinnvoll sind (hier: bejaht für Operationen zur Hautstraffungen nach Gewichtsreduzierung).

 

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 17.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2016 wird aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin auf der Grundlage der eingetretenen Genehmigungsfiktion drei postbariatrische Wiederherstellungsoperationen (Oberarme, Oberschenkel, Mammae) als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe

I.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin auf Grund einer eingetretenen Genehmigungsfiktion Anspruch auf eine Brust-, Oberschenkel- und Oberarmoperation hat.

Die 1979 geborene, bei der Beklagten versicherte Klägerin beantragte am 27.07.2015 bei der Beklagten eine Operation von Brust, Oberschenkel und Oberarmen. Bereits 2008 sei ihr von der Beklagten eine Bauchdeckenstraffung und Abnehmen der Fettschürze genehmigt worden. Nun solle auch der Rest korrigiert werden. Dazu legte die Klägerin ein ärztliches Attest von Dr. C., Chefarzt der Klinik für Plastische und Ästhetische Chirurgie am Markus Krankenhaus, Frankfurt am Main, vor. Dieser bestätigte der Klägerin, dass bei ihr eine massive Gewichtsabnahme mit hängenden Hautfettlappen an beiden Oberarmen und Oberschenkeln und eine stark ptotische, hypoplastische Brust vorliege. Als Therapievorschlag nannte er: 1. Dermolipektomie an beiden Oberarmen, 2. Dermolipektomie an beiden Oberschenkeln, 3. Straffung der Mammae beidseits.

Am 29.07.2015 leitete die Beklagte den Antrag an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) weiter und informierte gleichzeitig die Klägerin darüber.

Der MDK forderte unter Fristsetzung bis zum 15.08.2105 weitere Unterlagen von der Klägerin an. Mit Schreiben vom 18.08.2015 lud die Beklagte die Klägerin zur persönlichen Untersuchung durch den MDK am 24.08.2015 ein. Diesen Termin sagte die Klägerin am 21.08.2015 ab, da er zu kurzfristig sei.

Mit Schreiben vom 31.08.2015 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass über den Antrag spätestens innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang entschieden werden solle. Dies sei leider nicht möglich. Da die Klägerin den Termin zur körperlichen Untersuchung auf den 08.09.2015 verschoben habe, könne bis zum 31.08.2015 über den Leistungsantrag nicht entscheiden werden. Die Beklagte komme auf die Klägerin unaufgefordert zu, sobald das für die abschließende Beurteilung notwendige Gutachten vorliege.

Nach Untersuchung der Klägerin kam der MDK in seinem Gutachten vom 10.09.2015 zu dem Ergebnis, dass an den Oberarmen keine funktionellen Einschränkungen vorlägen, hier stehe allenfalls der kosmetische Aspekt im Vordergrund. Bei den Oberschenkeln seien gleichfalls keine funktionellen Einschränkungen und keine entzündlichen Hautveränderungen nachweisbar. Auch hier werde von einem kosmetischen Aspekt ausgegangen. Bzgl. der beantragten Bruststraffung seien keine funktionellen Einschränkungen nachvollziehbar, akute oder chronische Hautentzündungen ließen sich nicht feststellen. Die vorliegende leichte Asymmetrie in diesem Bereich sei nicht behandlungsbedürftig. Das Argument der Entstellung sein nicht nachvollziehbar. Es sei vorrangig von kosmetischen Aspekten auszugehen.

Mit Bescheid vom 17.09.2015 lehnte die Beklagte den Antrag unter Berücksichtigung des MDK-Gutachtens ab.

Dagegen legte die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten am 15.10.2015 Widerspruch ein.

Am 05.11.2015 hat die Klägerin Klage erhoben.

Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt ursprünglich schriftlich,

es wird festgestellt, dass der Antrag der Klägerin auf Gewährung dreier postbariatrischer Wiederherstellungsoperationen (Oberarme, Oberschenkel, Mammae) als Sachleistung vom 27. Juli 2015 gemäß § 13 Absatz 3a Satz 6 SGB V als genehmigt gelte.

Nach Erlass des Widerspruchsbescheides vom 03.02.2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Klage in eine Leistungsklage umgestellt. Zur Begründung trägt der Prozessbevollmächtigte der Klägerin umfassend vor, warum die Voraussetzungen für den Eintritt einer Genehmigungs...

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