Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermittlung der angemessenen Kosten für die Unterkunft bei einem Zweipersonenhaushalt

 

Orientierungssatz

1. Bei der Prüfung der angemessenen Kosten für die Unterkunft hat der Grundsicherungsträger zunächst die angemessene Wohnungsgröße und den Wohnungsstandard zu bestimmen und danach zu ermitteln, wieviel auf dem maßgeblichen Wohnungsmarkt für die einfache Wohnung aufzuwenden ist.

2. Für einen Zweipersonenhaushalt ist eine Wohnungsgröße von bis zu 60 qm angemessen.

3. Um ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln zu gewährleisten, muss der Grundsicherungsträger die regionale Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts ermitteln.

4. Soweit das Konzept des Grundsicherungsträgers nicht schlüssig ist, geht die Ermittlungspflicht hinsichtlich des Mietmarktes nicht ohne Weiteres auf das Sozialgericht über. Kann der abstrakt angemessene Bedarf für die Unterkunft nicht ermittelt werden, so ist auf die Tabellenwerte zu § 12 WoGG zurückzugreifen. Dabei ist ein Sicherheitszuschlag von 10 % zu berücksichtigen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 13.07.2020; Aktenzeichen B 14 AS 87/19 B)

 

Tenor

1. Der Bescheid des Beklagten vom 29.02.2012 in Fassung des Änderungsbescheides vom 09.05.2012 und des Bescheides vom 21.06.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, den Klägern im Zeitraum 01.03.2012 bis 30.06.2012 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 50,58 EUR zu erstatten.

2. Der Beklagte hat den Klägern 8/10 der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3. Die Berufung wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten im Klageverfahren über die Höhe der den Klägern zu gewährenden Kosten der Unterkunft und Heizung nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).

Die am ... 1990 geborene Klägerin zu 1. beantragte nach Lösung eines Berufsausbildungsverhältnisses erstmals im August 2010 Grundsicherungsleistungen beim Beklagten. Sie bewohnte eine Wohnung in der ...straße ... in Wittenberg. Zum Zeitpunkt der Beantragung der Leistungen zeigte die Klägerin beim Beklagten die Aufnahme einer neuen Ausbildung als Frisörin ab dem 01.09.2010 an. Mit Bescheid vom 25.08.2010 bewilligte der Beklagte der Klägerin zu 1. für die Monate Juli 2010 und August 2010 Leistungen nach dem SGB II. Die Bundesagentur für Arbeit Lutherstadt Wittenberg gewährte der Klägerin zu 1. Berufsausbildungsbeihilfe für die Zeit vom 01.09.2009 bis 31.08.2011.

Am 27.10.2010 unterzeichnete die Klägerin gemeinsam mit ihrem Partner, Herrn H., einen Wohnungsmietvertrag für eine preisgebundene Wohnung in der ...straße in Wittenberg, beginnend am 15.11.2010. Die Grundmiete der ca. 64 qm großen Wohnung betrug 294,40 EUR. Es wurde eine monatliche Vorauszahlung für Heizkosten und Warmwasser in Höhe von 89,60 EUR und für sonstige Neben- und Betriebskosten in Höhe von 73,60 EUR vereinbart.

Am 20.04.2011 beantragte die seinerzeit schwangere Klägerin zu 1. erneut Leistungen beim Beklagten für eine Erstausstattung für Mobiliar bei Geburt eines Kindes und Erstausstattung für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt, die der Beklagte mit Bescheid vom 31.05.2011 gewährte. Zugleich bewilligte er einen Zuschuss zu den ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung für Auszubildende im Zeitraum 01.05.2011 bis 31.08.2011.

Die Klägerin zu 1. mietete nach Trennung von ihrem Partner am 06.05.2011 beginnend ab dem 01.07.2011 eine 57,31 qm große Wohnung in der ...straße in Wittenberg an. Die Nutzungsgebühr betrug monatlich 293,78 EUR. An monatlichen Vorauszahlungen für Nebenkosten waren 73,00 EUR sowie für Heizkosten und Warmwasserkosten 58,00 EUR zu entrichten. Sie beantragte unter dem 25.07.2011 beim Beklagten die Weiterbewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Aus der vorgelegten Mietbescheinigung vom 28.09.2011 ergab sich eine Gesamtmiete in Höhe von 434,78 EUR, in der monatliche Kosten in Höhe von 10,00 EUR für Kabelanschluss ausgewiesen waren. Mit Bescheid vom 06.10.2011 bewilligte der Beklagte an die Klägerin zu 1. im Zeitraum 01.09.2011 bis 29.02.2012 vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Bescheid enthielt den Hinweis: "Sie sind ohne meine Zustimmung umgezogen. Infolgedessen erhalten Sie nur die angemessenen Unterkunftskosten." Am 22.11.2011 zeigte die Klägerin zu 1. beim Beklagten die Geburt des Klägers zu 2. an.

Die Kläger beantragten am 25.01.2012 die Weiterbewilligung von Grundsicherungsleistungen. Für die Zeit vom 01.03.2012 bis 31.08.2012 bewilligte der Beklagte mit Bescheid vom 29.02.2012 an die Kläger vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 366,40 EUR. In der Bedarfsberechnung berücksichtigte der Beklagte kalte Mietkosten in Höhe von 316,20 EUR und Heizkosten in Höhe von 47,56 EUR, insgesamt 363,76 EUR. Hiergegen legten die Kläger Widerspruch ein. Nach Vorlage eines Elterngeldbescheides erließ der Beklagte am 09.05.2012 einen Änderung...

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