Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Unterkunft und Heizung. angemessene Unterkunftskosten. Landkreis Wittenberg. Nichtvorliegen eines schlüssigen Konzepts. Festlegung des Vergleichsraums. Clusteranalyse. fehlende Repräsentativität der Datenerhebung
Leitsatz (amtlich)
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Unterkunft und Heizung - Angemessenheit der Unterkunftskosten - Zweipersonenhaushalt im Landkreis Wittenberg - Nichterfüllung der Anforderungen an ein schlüssiges Konzept
Orientierungssatz
1. Der Landkreis Wittenberg verfügt über kein schlüssiges Konzept, da einerseits nicht gewährleistet ist, dass Substandardwohnungen nicht doch in die Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten eingeflossen sind, und anderseits Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung herausgenommen worden sind.
2. Die vorgenommene Clusteranalyse kann nicht die Festlegung eines Vergleichsraums ersetzen, wenn die Kriterien für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich wie räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit gerade keine Berücksichtigung gefunden haben.
3. Die erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten sind nicht dazu geeignet, den gesamten relevanten Mietwohnungsmarkt zuverlässig abzubilden, wenn eine Konzentration der Leistungsberechtigten auf bestimmte Stadtbezirke (sog Ghettobildung) nicht auszuschließen ist.
Tenor
Der Ablehnungsbescheid vom 23. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2014 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, den Klägern unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 21. Mai 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Juni 2013 weitere Leistungen der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 31. Oktober 2013 in Höhe von monatlich 42,60 Euro zu gewähren.
Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 31. Oktober 2013 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.
Die 1957 bzw. 1956 geborenen, miteinander verheirateten Kläger stehen bei dem Beklagten im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Klägerin erhielt eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (bis Juni 2013: 600,15 Euro, ab Juli 2013: 619,45 Euro). Anderweitige Einkünfte wurden nicht bezogen.
Die Kläger zogen nach dem Auszug ihres Sohnes von einer 75 m² großen Wohnung (im selben Haus) in die seit April 2013 bewohnte 61,2 m² große Wohnung in Coswig (Landkreis Wittenberg). Als Miete waren laut Mietvertrag 420,00 Euro zu zahlen (Grundmiete: 285,00 Euro, sonstige Nebenkosten: 60,00 Euro, Heiz- und Warmwasserkosten [Gas]: 75,00 Euro). Den Antrag auf Zusicherung zu den Aufwendungen der neuen Unterkunft lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8. März 2013 ab. Zur Begründung gab er an, dass der Umzug zwar erforderlich wäre, die Kosten aber unangemessen seien. In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 16. April 2013 wies der Beklagte darauf hin, dass die angemessenen Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) derzeit monatlich 302,40 Euro betragen würden. Als angemessene Heizkosten sei der Wert entsprechend des aktuellen Heizspiegels für einen 2-Personen-Haushalt mit einer angemessenen Wohnfläche von 60 m² anzusetzen.
Mit Bescheid vom 21. Mai 2013 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 30. November 2013 zunächst Leistungen in Höhe von monatlich 583,49 Euro, darunter für Unterkunft und Heizung in Höhe von 251,60 Euro, wobei der Sohn nach wie vor als Haushaltszähler berücksichtigt worden war. Nach Widerspruch bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen in Höhe von monatlich 709,29 Euro, darunter 377,40 Euro für Unterkunft und Heizung (Kosten der Unterkunft: 302,40 Euro, Heiz- und Warmwasserkosten: 75,00 Euro). Die Kürzung belief sich bei den Unterkunftskosten auf monatlich 42,60 Euro. Eine Einkommensanrechnung erfolgte ausschließlich auf die Regelbedarfe und den für die Klägerin gewährten Mehrbedarf für Ernährung.
Infolge der Betriebskostenabrechnung vom 26. August 2013 für das Abrechnungsjahr 2012 floss den Klägern im Oktober 2013 ein Guthaben in Höhe von 237,65 Euro zu. Der Beklagte rechnete dieses im November 2013 in voller Höhe zunächst auf den gedeckelten Bedarf für Unterkunft und Heizung von 377,40 Euro an, sodass für November 2013 Leistungen nur noch in Höhe von insgesamt 471,64 Euro bewilligt und ausgezahlt wurden (Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2013). Im gerichtlichen Verfahren S 14 AS 2663/13 erkannte der Beklagte nach Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach ein Guthaben die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung mindert (Urteil vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 83/12 R), die Gewährung weiterer Leistungen in Höhe von 42,60 Euro an (Erledigung des V...