Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Leistungserbringung und -abrechnung auf Überweisung ermächtigter Ärzte und Einrichtungen durch überweisungsgebundene Vertragsärzte. Einschränkung der Überweisungsbefugnis ermächtigter Hochschulambulanzen
Orientierungssatz
1. Überweisungsgebundene Vertragsärzte sind berechtigt, Leistungen auf Überweisung ermächtigter Ärzte und Einrichtungen - mit Ausnahme nach § 117 Abs 1 SGB 5 ermächtigter Hochschulambulanzen - vertragsärztlich zu erbringen und abzurechnen. Die Überweisungsbefugnis der nach § 117 Abs 1 SGB 5 ermächtigten Hochschulambulanzen ist dagegen mit der Folge eingeschränkt, dass Vertragsärzte Leistungen entgegen § 24 Abs 2 UAbs 2 BMV-Ä und § 27 Abs 2 UAbs 2 EKV nicht auf Überweisung der Hochschulambulanz vertragsärztlich erbringen und abrechnen dürfen.
2. Az beim Sächsischen LSG: L 1 KA 8/12 B ER.
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin berechtigt ist, bis zur Rechtskraft einer Entscheidung in der Hauptsache vertragsärztliche Leistungen auf Überweisung ermächtigter Ärzte und Einrichtungen - ausgenommen gemäß § 117 Abs. 1 SGB V ermächtigter Hochschulambulanzen - zu erbringen und die in diesem Zeitraum erbrachten Leistungen vertragsärztlich abzurechnen.
Im Übrigen wird der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgelehnt.
II. Der Antragstellerin wird aufgegeben, binnen eines Monats nach der Zustellung dieses Beschlusses Klage auf Feststellung der Befugnis zur Erbringung und Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen auf Überweisung ermächtigter Ärzte und Einrichtungen - ausgenommen gemäß § 117 Abs. 1 SGB V ermächtigter Hochschulambulanzen - zu erheben.
III. Von den Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin zwei Drittel, die Antragsgegnerin ein Drittel.
IV. Der Streitwert wird auf 122.540,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin - eine überörtliche Gemeinschaftspraxis für Radiologie mit Sitz in D. - begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine vorläufige Klärung der Rechtslage dahingehend, dass sie zur Erbringung und Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen auf Überweisung ermächtigter Ärzte und Einrichtungen, einschließlich der Hochschulambulanzen berechtigt sei.
Im Begleitbrief vom 25.10.2011 zur Honorarabrechnung für das Quartal II/2011 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Folgendes mit:
"Zur Abrechnung und Honorierung vertragsärztlicher Leistungen ist dem Vorstand der nachfolgende Hinweis wichtig. Im Zusammenhang mit einem aktuellen Rechtsstreit mit dem MVZ des Uniklinikums in Dresden und teilweise in der Öffentlichkeit ausgetragenen Meinungsverschiedenheiten sind die nachstehenden allgemeinen Bemerkungen zu verstehen:
Ermächtigte Ärzte und Einrichtungen sind grundsätzlich nicht dazu berechtigt, Überweisungen auszustellen. Dies folgt bereits aus der Feststellung, dass Ermächtigte keine Vertragsärzte gemäß BMV § 1a Nr. 4 sind. Auch die Tatsache, dass mit der Ermächtigung nur ein eingeschränktes Leistungsspektrum eingeräumt wird, kann nicht die Berechtigung zur Überweisung begründen. Aus einer Analyse Ihrer Abrechnungen ist uns bekannt, dass diesem Grundsatz in vielen Fällen nicht entsprochen wird.
Besonders auffällig erscheinen hierbei die Hochschulambulanzen der Universitäten zu sein. Die KV Sachsen bittet deshalb, insbesondere Überweisungen von den genannten Ambulanzen zukünftig abzulehnen. Die Notwendigkeit der Erbringung zusätzlicher diagnostischer oder therapeutischer Leistungen kann problemlos über den Arztbrief dem Vertragsarzt mitgeteilt werden. Für die Wirtschaftlichkeit ist dieser dann bei Erbringung der Leistung selbst verantwortlich. Überdies gilt es festzustellen, dass insbesondere weitergehende diagnostische Leistungen (Radiologie, Labor, Pathologie …) durch die pauschale Vergütung über den Hochschulpoliklinikvertrag bereits vergütet sind, in der Einrichtung auch erbracht werden können und aus diesem Grund nicht zu überweisen sind.
Überweisungen von Hochschulambulanzen haben folgende Betriebsstättennummern (BSNR) und sind so leicht zu erkennen:
|
Universität D.: |
[…] bis […] |
Universität L.: |
[…] bis […] |
Speziell hier gilt es, ungerechtfertigten Leistungsverlagerungen entgegenzutreten. Unabhängig von der Fokussierung auf die Hochschulambulanzen und der dortigen Besonderheit der pauschalen Vergütung gilt das Gesagte für alle ermächtigten Ärzte/Einrichtungen."
Mit Schreiben vom 22.11.2011 erhob die Antragstellerin gegen das Begleitschreiben vom 25.10.2011 Widerspruch.
Darüber hinaus wandte sich die Antragstellerin am 19.12.2011 mit einem Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz an das Sozialgericht Dresden. Sie sieht in dem Schreiben einen Eingriff in ihre Rechte und eine Bedrohung für die Sicherstellung der Patientenversorgung. Die dem Schreiben zu Grunde liegende Rechtsauffassung sei falsch. Gleichwohl überwiesen auf Grund des Begleitschreibens teilweise bereits jetzt ermächtigte Ärzte und Einrichtungen keine Patienten mehr, wodurch ihr unmittelbare Honorarausfälle entstünden. Würden ermächtigte Ärzte und Ei...