Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsärztliche Versorgung. Medizinisches Versorgungszentrum ≪MVZ≫. keine Verpflichtung des ärztlichen Leiters zur persönlichen Behandlung. Mitgliedschaft angestellter Ärzte in der Kassenärztlichen Vereinigung
Orientierungssatz
1. Der ärztliche Leiter eines MVZ muss nicht neben seiner Leitungsfunktion an der vertragsärztlichen Leistungserbringung des MVZ durch die persönliche Behandlung gesetzlich krankenversicherter Patienten mitwirken.
2. Etwas Gegenteiliges folgt nicht aus § 77 Abs 3 S 2 SGB 5. Es spricht vieles dafür, dass dieser entweder eine verdeckte Lücke enthält oder der objektive Regelungsgehalt der Norm über das angestrebte Regelungsziel hinausschießt.
3. Berufung anhängig beim Sächsischen Landessozialgericht - L 1 KA 54/09.
Nachgehend
Tenor
I. Der Bescheid des Beklagten vom 01.07.2009 wird aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Übertragung der ärztlichen Leitung des Medizinischen Versorgungszentrums der Klägerin auf Dr. W. B. zulässig ist.
III. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Die Zuziehung eines Rechtsanwalts zum Vorverfahren war notwendig.
IV. Der Streitwert wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Bestellung des Geschäftsführers der Klägerin zum ärztlichen Leiter des von ihr getragenen Medizinischen Versorgungszentrums.
Die Klägerin beantragte am 17.02.2009 mit Schreiben vom 16.02.2009 im Hinblick auf das Ausscheiden der bisherigen ärztlichen Leiterin aus dieser Funktion die Bestätigung des Übergangs der ärztlichen Leitung auf den Geschäftsführer der Klägern, Dr. W. B. Dr. B. ist Facharzt für Orthopädie. Gegenstand und Umfang der von ihm als ärztlicher Leiter wahrzunehmenden Pflichten sind in einem am 15.02.2009 mit der Klägerin geschlossenen Vertrag geregelt, wegen dessen Inhalt auf die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen wird.
Der Zulassungsausschuss lehnte den Antrag durch Beschluss vom 02.03.2009 mit der Begründung ab, der ärztliche Leiter eines Medizinischen Versorgungszentrums müsse dort selbst vertragsärztliche Leistungen erbringen, um die erforderliche Direktions- und Kontrollfunktion wahrnehmen zu können.
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 16.03.2009 Widerspruch. Die Auffassung des Zulassungsausschusses entbehre der rechtlichen Grundlage. Der ärztliche Leiter übe Weisungs- und Kontrollbefugnisse auf Grund seiner vertraglichen Vereinbarung mit der Klägerin und in seiner Funktion als Geschäftsführer aus. Am Umfang dieser Befugnisse würde die Mitwirkung an der vertragsärztlichen Leistungserbringung der Klägerin nichts ändern. Haftungssubjekt sei die Klägerin und nicht der ärztliche Leiter. Die Disziplinargewalt der Kassenärztlichen Vereinigung erstrecke sich gemäß § 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V ohnehin direkt auf die angestellten Ärzte. Im Rahmen der ärztlichen Diagnostik und Therapie seien die Ärzte zudem weisungsfrei.
Der Beklagte wies den hiergegen gerichteten Widerspruch mit Beschluss vom 27.05.2009, als Bescheid ausgefertigt am 01.07.2009 und den Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 07.07.2009, zurück. Der ärztliche Leiter eines Medizinischen Versorgungszentrums müsse selbst als angestellter Arzt dort ärztlich tätig sein, damit er Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung werde. Dies sei wiederum erforderlich, um die Disziplinargewalt bei Verstößen gegen vertragsärztliche Pflichten sichern zu können. Dieses Anliegen werde nicht durch § 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V erübrigt. Denn diese Vorschrift regele nur den Zeitpunkt des Beginns der Mitgliedschaft angestellter Ärzte in der Kassenärztlichen Vereinigung, während weniger als halbtags beschäftigte Ärzte gemäß § 77 Abs. 3 Satz 2 SGB V von der Mitgliedschaft ganz ausgenommen seien.
Hiergegen richtet sich die am 07.08.2009 beim Sozialgericht Dresden eingegangene Klage, mit der die Bevollmächtigten der Klägerin ihre bisherige Argumentation vertiefen. Die Klägerin beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der entgegen stehenden Bescheide der Zulassungsgremien zu verurteilen, dem Übergang der ärztlichen Leitung auf Dr. W. B. stattzugeben.
Der Beklagte beantragt, unter Verweis auf seine bisherigen Ausführungen die Abweisung der Klage.
Entscheidungsgründe
Das Gericht kann über den Rechtsstreit gemäß § 105 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, der Sachverhalt geklärt ist und die Beteiligten auf Anfrage keine Gründe vorgetragen haben, die einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid entgegen stehen würden.
Die Klage ist zulässig und begründet.
Hinsichtlich der Zulässigkeit der Klage ist zu berücksichtigen, dass das Gesetz eine förmliche Bestätigung des ärztlichen Leiters durch die Zulassungsgremien nicht vorsieht. Ein Genehmigungsvorbehalt ergibt sich aus dem Gesetz lediglich für die Anstellung eines an der vertragsärztlichen Versorgung mitwirkenden angestellte...