Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenerstattung. Behandlung in anderen Mitgliedstaat ≪hier Stottertherapie am Del Ferro-Institut Amsterdam≫. ärztliche Verordnung als Voraussetzung der Heilmittelabgabe. Verbindlichkeit der Heilmittel-Richtlinien. Qualifikation. Heilmittelerbringer. Anwendung der Kostenerstattungsregelung nach § 13 Abs 4 S 2 Alt 2 SGB 5. Systemversagen. Anwendungsbereich über neue Heilmittel
Orientierungssatz
1. Bis September 2002 hatten im Inland gesetzlich Krankenversicherte keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten einer Stottertherapie am Del Ferro-Institut in Amsterdam.
2. Die Heilmittelabgabe zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen setzt eine ärztliche Verordnung voraus. Das gilt auch bei der Inanspruchnahme von Heilmittelerbringern im Geltungsbereich des EG-Vertrages und des EWR-Abkommens (Anschluss EuGH vom 13.5.2003 - C-385/99 = EuGHE I 2003, 4509 und EuGH vom 28.4.1998 - C-120/95 = EuGHE I 1998, 1831).
3. Die Heilmittel-Richtlinien sind auch im Außenverhältnis gegenüber den Versicherten verbindlich.
4. Zum Umfang der Heilmittelversorgung nach § 27 Abs 1 S 1 und S 2 Nr 3 SGB 5 gehören nur Heilmittel, die von iS des § 124 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 5 einschlägig ausgebildeten und qualifizierten Behandlern erbracht werden. Das gilt auch bei der Inanspruchnahme von Heilmittelerbringern im Geltungsbereich des EG-Vertrages und des EWR-Abkommens.
5. Die Regelung des § 13 Abs 4 S 2 Alt 2 SGB 5 gilt nur für den Beschaffungsweg, nicht aber für Art, Inhalt und Umfang der Leistungen, die zu Lasten der inländischen gesetzlichen Krankenversicherung im Geltungsbereich des EG-Vertrages und des EWR-Abkommens in Anspruch genommen werden können. Sie ist nicht anwendbar, wenn eine Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufs des Leistungserbringers regelt.
6. § 13 Abs 4 S 2 Alt 2 SGB 5 ist nicht anwendbar, wenn eine Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufs des Leistungserbringers regelt.
7. Die gemeinschaftsweite Zulassungsfiktion nach § 13 Abs 4 S 2 Alt 2 SGB 5 setzt voraus, dass die Systeme zur Erbringung von Leistungen an Versicherte sowie die im jeweiligen System der Krankenversicherung geltenden Standards für die Zulassung der Abgabe von Leistungen an die Versicherten des jeweiligen Mitgliedstaates vergleichbar sind. Zu den Standards des inländischen Systems der Leistungserbringung gehört der Grundsatz, dass Heilmittel nur von einschlägig ausgebildeten und qualifizierten Behandlern erbracht werden dürfen (§ 124 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB 5).
8. Bei der Regelung des § 13 Abs 4 S 2 Alt 2 SGB 5 handelt es sich um eine die europarechtlichen Regelungen ergänzende Bestimmung auf nationaler Rechtsgrundlage. Zwingende europarechtliche Vorgaben liegen der Vorschrift nicht zu Grunde.
9. Zu den Voraussetzungen des Systemversagens im Anwendungsbereich des § 138 SGB 5.
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung der für eine Sprachheilbehandlung im Ausland aufgewandten Kosten.
Der 1987 geborene und bei der Beklagten versicherte Kläger leidet seit seinem 6. Lebensjahr an einer Störung des Redeflusses sowie der Laut- und Lautverbindungsbildung.
Am 18.02.2001 beantragten die Eltern des Klägers bei der Beklagten die Übernahme der Kosten für eine 10-tägige Stottertherapie am D F-Institut Amsterdam in Höhe von voraussichtlich 2.320,00 DM. Nach dessen Aussage würden die Kosten von der Krankenkasse übernommen.
Mit Bescheid vom 14.03.2001 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme ab. Nach einem Grundsatzgutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung entspreche die Methode des D F-Instituts nicht dem Stand der medizinischen Erkenntnisse. Die mittelfristigen Erfolge (Nachuntersuchungen des Medizinischen Dienstes Nordrhein zufolge nach sechs Monaten deutlich unter 50 %) seien nicht mit denen mehrdimensional angelegter Therapien vergleichbar (70%). Wenn die konventionellen Therapien keine befriedigenden Ergebnisse erzielen sollten, böte sich eine stationäre Maßnahme in einer Fachklinik an.
Gegen die Ablehnung legte der Kläger am 08.04.2001 Widerspruch ein. Die bereits durchgeführten Intensivtherapien seien erfolglos verlaufen. Die Kosten einer Intensivtherapie seien wesentlich höher als der beantragte Kurs am D F-Institut. Nach dessen Aussagen verließen 90 % der Teilnehmer den Kurs stotterfrei.
Vom 20.09.2001 bis zum 29.09.2001 absolvierte der Kläger zunächst auf eigene Rechnung den beantragten 10-tägigen Intensivkurs am D F-Institut in Amsterdam. Für die Teilnahme entrichtete er vorab gegen Rechnung vom 19.09.2001 ein Entgelt in Höhe von 2.320,00 DM.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.09.2001, der am 25.09.2001 dem Kläger zuging, zurück. Bei der D F-Methode handele es sich um ein neues bisher nicht anerkanntes Therapieverfahren. Die einseitige Therapiemethode bestehe auss...