Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufteilung der vom Sozialhilfeträger zu übernehmenden Kosten der Unterkunft und Heizung für das Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft nach dem Kopfteilprinzip
Orientierungssatz
1. Innerhalb einer Bedarfsgemeinschaft erfolgt die Aufteilung der Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung grundsätzlich nach Kopfteilen. Dabei ist ohne Belang, wer den Mietpreis schuldet und wer welchen Teil der Wohnung tatsächlich nutzt.
2. Lediglich die angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung sind entsprechend der grundsätzlichen Regelung nach dem Kopfteilprinzip zwischen den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft aufzuteilen.
3. Stellt der den geltend gemachten Unterkunftskosten zugrunde liegende Mietvertrag ein Scheingeschäft i. S. von § 117 BGB dar oder fehlt ihm die Ernstlichkeit i. S. von § 118 BGB oder ist er sittenwidrig i. S. von § 138 BGB, so schließt ein solcher nachgewiesener Umstand die Verpflichtung des Sozialhilfeträgers zur Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung aus.
Tenor
Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 30.03.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31.08.2012 verurteilt, der Klägerin für die Zeit von Januar 2012 bis März 2013 weitere Leistungen für Kosten der Unterkunft in Höhe von 150,00 EUR pro Monat zu gewähren.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin im Rahmen der Leistungen nach dem 4. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) auch Leistungen für Kosten der Unterkunft zustehen.
Die 1993 geborene Klägerin ist seit ihrer Geburt behindert. Sie verfügt über einen Schwerbehindertenausweis mit einem Grad der Behinderung von 100 und den Nachteilsausgleichen "G", "B" und "H", ist dauerhaft erwerbsunfähig und in Pflegestufe 1 nach dem 11. Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) eingestuft. Die Eltern erhalten Kindergeld in Höhe von 184 EUR für die Klägerin. Die Klägerin bewohnt mit ihren Eltern ein Haus in E. Ihr stehen dort im ersten Obergeschoss zwei Zimmer zur Verfügung unter Mitbenutzung des übrigen Hauses. Das Haus ist nach Erbbaurecht gebaut. Das Grundstück gehört der Kirche, Erbbauberechtigter ist der Vater, der auch die laufenden Kosten trägt. Der Vater, der auch gesetzlicher Betreuer der Klägerin ist, stellte für die Klägerin am 11.01.2012 und am 29.03.2012 bei der Beklagten einen Antrag auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit nach dem Vierten Kapitel SGB XII. Zum Zeitpunkt der Antragstellung im Januar bzw. im März 2012 besuchte die Klägerin die N-Schule Förderschule für geistige Behinderungen, die sie auch heute noch besucht.
Mit Bescheid vom 30.03.2012 bewilligte die Beklagte der Klägerin Leistungen ab Januar 2012 bis März 2013 in Höhe von 449.24 EUR. Den Leistungen legte die Beklagte einen Regelsatz in Höhe von 299 EUR zugrunde, einen Mehrbedarf von 50,83 EUR nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII (Mehrbedarf Nachteilsausgleich "G"), Beiträge zur privaten Krankenversicherung in Höhe von 27.14 EUR sowie einen Anteil für Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 72.27 EUR. Der Anteil für die Kosten der Unterkunft setzte sich dabei zusammen aus 38.12 EUR für Mietnebenkosten und 34.15 EUR für eine Heizkostenvorauszahlung. Die Miete im vorgelegten Mietvertrag in Höhe von 150 EUR wurde nicht von der Beklagten berücksichtigt, weil der Mietvertrag nicht unterzeichnet war.
Die Klägerin erhob am 27.04.2012 Widerspruch wegen der Nichtberücksichtigung der Miete. Im Widerspruchsverfahren trug die Klägerin vor, dass für den Mietvertrag eine Ergänzungsbetreuerin bestellt werden müsse, die jedoch erst im März 2012 bestellt worden sei und erst nach ihrer Bestellung den Mietvertrag hätte unterzeichnen können. Sodann legte die Klägerin die Bestallungsurkunde 000 ... Q 000, Amtsgericht O, vom 20.03.2012 vor, ausweislich der Frau S X als Ergänzungsbetreuerin mit dem Aufgabenkreis "Vertretung in Abschluss eines Mietvertrages zwischen den Betroffenen und ihrem Vater" bestellt worden war. Ferner reichte sie den Mietvertrag vom 24.04.2012 ein, in dem der Beginn des Mietverhältnisses zum 01.01.2012 bei einer Miete von 150 EUR pro Monat zzgl. einer Nebenkostenpauschale (inklusive Heizkosten) in Höhe von 80 EUR für zwei möblierte Räume im Dachgeschoss und Mitbenutzung von Bad, Diele, Balkon (OG) und Diele, Küche, Wohn-/Esszimmer, Gäste-WC, Terrasse (EG), Garten und Garage.
Mit Widerspruchsbescheid vom 31.08.2012 wies der Rhein-Kreis-Neuss als Widerspruchsbehörde den Widerspruch zurück. Kosten der Unterkunft könnten nur übernommen werden, wenn diese tatsächlich anfielen. Sie würden deswegen auch nicht pauschal übernommen, sondern in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen seien. Das Bundessozialgericht habe in zwei Verfahren entschieden (Urteile vom 14.04.2011, B 8 SO 18/09 R und vom 25.08.2011, B 8 SO 29/10 R), dass die Bewilligung von Leistungen für Unterkunft und Heizung tatsächlich Aufwendungen des Hilfebedürftigen voraussetze, wenn eine hilfebedürftige...