Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertungspflicht einer Kapitallebensversicherung während des Leistungsbezugs nach SGB 2 bei vorangegangener selbständiger Tätigkeit
Leitsatz (amtlich)
Bei vorangegangener selbständiger Tätigkeit kann eine Verwertung einer Kapitallebensversicherung bei einem Leistungsbezug von Leistungen nach dem SGB 2 eine besondere Härte darstellen.
Orientierungssatz
Eine einstweilige Anordnung im sozialgerichtlichen Verfahren kann zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen. Eine Hilfebedürftigkeit des Antragstellers ist nicht durch verwertbare Vermögensgegenstände ausgeschlossen. Die während der selbständigen Tätigkeit abgeschlossene Kapitallebensversicherung dient der Altersvorsorge. Eine Verwertung wäre eine unzumutbare Härte. Eine Verwertung würde den Leitvorstellungen des SGB 2 widersprechen. Die Härtefallklausel kann dann angewendet werden, wenn eine Kapitallebensversicherung der Altersvorsorge dient. Da eine überwiegend selbständige Tätigkeit vorlag, konnte keine ausreichende Rentenanwartschaft in der Pflichtversicherung begründet werden. Dieses stellt eine unzumutbare Härte auch deswegen dar, weil der Antragsteller von der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit war.
Tenor
1. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller ab dem 01.08. 2007 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens, längstens bis zum 31.01.2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 322,- EUR monatlich zu zahlen. Im übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller 3/5 der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
2. Dem Antragsteller wird ab Antragstellung Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt B. K., Fr-Straße ..., 45... M. bewilligt.
Gründe
I.
Im Streit ist die Frage, ob eine Kapitallebensversicherung bzw. eine private Rentenversicherung als verwertbare Vermögensgegenstände der Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts entgegen stehen.
Der am 01.06.1955 geborene Antragsteller war von 1982 bis 2003 als selbstständiger Schreiner tätig und entrichtete während dieses Zeitraumes keine Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ist nicht erfolgt. Von März 2003 bis Mai 2006 war der Antragsteller versicherungspflichtig beschäftigt und bezog anschließend bis 30. Mai 2007 von der Agentur für Arbeit M. Arbeitslosengeld.
Der Antragsteller schloss im Mai 1989 eine dynamische Kapitalversicherung auf den Todes- und Erlebensfall mit einer Versicherungssumme von 155.208,- DM und einer monatlichen Beitragszahlung von 300,- DM ab. Dabei wurde vereinbart, dass der vertraglich vorgesehene Ablauftermin 30.04.2027 durch Überschussanteile vorverlegt und die Versicherung an dem Versicherungsjahrestag enden würde, an dem die Summe aus Deckungskapital und Überschussanteilen der Hauptversicherung die Versicherungssumme erstmals erreichen oder übersteigen würde, frühestens jedoch am 30.04.2014. Der Vertrag wurde wegen Nichtzahlung der Beiträge ab dem 01.11.1997 zum 01.02. 1998 beitragsfrei gestellt. Die Versicherungssumme beträgt nunmehr 20.225,17 EUR, wobei aktuell eine Bonussumme aus Überschussanteilen i.H.v. 13.931,36 EUR (Stand 31.08. 2007) erreicht ist. Vom Vertragsbeginn 01.05.1989 bis zum 31.10.1997 wurden insgesamt 18.419,94 EUR Beiträge eingezahlt. Der Rückkaufswert aus der Hauptversicherung, dem Bonus und den Schlussüberschussanteilen beträgt insgesamt 20.205,95 EUR (Stand 31.08.2007). Ein Verwertungsausschluss wurde nicht vereinbart.
Darüber hinaus schloss der Antragsteller ab dem 01.10.2000 bei der Provinzial Versicherung einen Rentenversicherungsvertrag mit aufgeschobener Rentenzahlung, Rentengarantie und Beitragsrückgewähr bei Tod mit einem Rentenzahlbeginn zum 01.10. 2015 ab. Die monatliche Beitragszahlung betrug zum Beginn der Versicherung 100,- DM und beträgt zur Zeit 72,76 EUR. Als Rückkaufswert wurde zum Ende des 7. Versicherungsjahres ein Betrag von 7.510,- DM (3.840,- EUR) errechnet.
Der Antragsteller beantragte am 10.05.2007 bei der Antragsgegnerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich der Kosten für Unterkunft und Heizung. Die Kosten für die Wohnung betragen 94,- EUR zuzüglich Betriebskosten i.H.v. 45,- EUR.
Die Antragsgegnerin lehnte mit Bescheid vom 30.05.2007 die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit der Begründung ab, der Antragsteller verfüge über ein Gesamtvermögen i.H.v. 22.014,04 EUR, das sich aus dem Rückkaufswert der Lebensversicherung bei der Provinzialversicherung i.H.v. 3.840,- EUR und dem Rückkaufswert der Kapitallebensversicherung bei der Bayerischen Beamten Versicherung i.H.v. 18.174,04 EUR zusammensetze. Unter Berücksichtigung eines für den Antragsteller maßgebenden Vermögensfreibetrages von 8.550,- EUR verbleibe ein verwertbares...