Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitslosengeld II. Eigenanteil für orthopädische Schuhe. Bestandteil des Regelbedarfs. kein atypischer Bedarf. keine ergänzende Sozialhilfe
Orientierungssatz
Ein vom Hilfebedürftigen im Jahr 2009 aufzubringender Eigenanteil für die Versorgung mit orthopädischen Schuhen (hier 76 Euro), der unter Berücksichtigung der höherwertigen Qualität und der zweijährigen Mindesttragedauer von orthopädischen Maßschuhen dem Betrag entspricht, der im Regelfall für die Anschaffung von Straßenschuhen aufzuwenden ist, ist von der Regelleistung umfasst. Leistungen können mangels atypischer Bedarfslage weder nach der Härtefallregelung des BVerfG (vgl BVerfG vom 9.2.2010 - 1 BvL 1/09 ua = BVerfGE 125, 175) noch gem § 23 Abs 1 SGB 2 oder gem § 73 SGB 12 erbracht werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer Beihilfe für die Anschaffung orthopädischer Straßenschuhe.
Der Kläger ist seit längerer Zeit arbeitslos. Ihm wurden von der Beklagten seit dem Jahr 2005 durchgängig Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) in Form von Arbeitslosengeld II gewährt. Er leidet seit Jahren unter einer Diabetes mellitus-Erkrankung (Typ II). Zur Therapie muss er viermal täglich Insulin spritzen. Im Zusammenhang mit der Erkrankung kam es zu der Entwicklung eines diabetischen Fußsyndroms, weswegen zwischenzeitlich die Amputation mehrerer Zehen am linken Bein erforderlich wurde. Ferner ergab sich die Notwendigkeit der Versorgung mit orthopädischen (Straßen-)Schuhen. Die Erstversorgung mit solchen Schuhen, die eine Mindesttragedauer von zwei Jahren haben, erfolgte im Frühjahr des Jahres 2007. Von den Gesamtkosten in Höhe von 1.172,89 EUR musste der Kläger für den nicht medizinischen "Gebrauchsanteil " der Schuhe einen Betrag in Höhe von 76,00 EUR in Form einer Selbstbeteiligung aufbringen. Die restlichen Kosten trug seine gesetzliche Krankenversicherung. Einen Antrag des Klägers auf Übernahme der Selbstbeteiligung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 19.4.2007 ab, wogegen er nicht weiter vorging. Von Juli 2006 bis zum 30.6.2009 berücksichtigte die Beklagte bei der Leistungsgewährung an den Kläger aufgrund seiner Diabetes-Erkrankung einen Mehrbedarf wegen kostenaufwändiger Ernährung aus medizinischen Gründen nach § 21 Abs. 5 SGB II in Höhe eines Betrages von 51,13 EUR monatlich. Im Januar 2009 stellte er einen Antrag auf Erhöhung des zu berücksichtigenden Mehrbedarfes wegen der Notwendigkeit des Insulinspritzens. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ebenfalls ab (Bescheid vom 30.1.2009). Auch dagegen ging der Kläger nicht weiter vor. Im Januar 2009 wurde eine Sohlenversteifung an den orthopädischen Straßenschuhen notwendig. Die hierfür angefallenen Kosten in Höhe von 84,05 EUR wurden von der Krankenkasse des Klägers in vollem Umfang getragen.
Im Mai 2009 war nach einer Fußoperation eine Neuversorgung mit orthopädischen Straßenschuhen erforderlich. Die Gesamtkosten dafür beliefen sich diesmal auf 1.126, 40 EUR, wobei für den Kläger wiederum ein Eigenanteil in Höhe von 76,00 EUR verblieb. Eine gesetzliche Zuzahlung wurde hiervon nicht in Abzug gebracht, da der Kläger bereits von der Zahlungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung befreit war. Schon Ende Januar 2009 hatte er vorab bei der Beklagten die Übernahme des Eigenanteiles für die Neuversorgung mit den orthopädischen Schuhen in Höhe von 76,00 EUR beantragt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 30.1.2009 mit der Begründung ab, die Versorgung mit orthopädischen Schuhen stelle keine Leistung dar, die nach dem SGB II übernommen werden könne. Mit seinem dagegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, er brauche die Schuhe zum Leben. Ohne die orthopädischen Schuhe gehe es nicht mehr, was die ihn behandelnden Ärzte bestätigen könnten. Ihm stehe auch kein überschüssiges Geld hierfür zur Verfügung, da er viermal täglich Insulin spritzen müsse und auch die Ernährung aufgrund der Diabetes-Erkrankung sehr teuer sei. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19.2.2009 zurück. Orthopädische Maßschuhe seien medizinische Hilfsmittel, wofür grundsätzlich die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung gegeben sei. Diese Leistungspflicht erstrecke sich allerdings nicht auf Schuhe als "Gegenstand des täglichen Lebens". Daraus ergebe sich der von dem Kläger zu tragende Eigenanteil, der auch nicht nach den Regeln des SGB II übernommen werden könne. In dem Regelsatz sei ein Anteil von ca. 10 % für Bekleidung und Schuhe enthalten. Der Kläger sei daher gehalten, den Eigenanteil aus der Regelleistung zu finanzieren bzw. gegebenenfalls anzusparen. Aus diesem Grunde lägen auch die Voraussetzungen nicht vor, wonach ihm die begehrte Zahlung darlehensweise gewährt werden könne (§ 23 Abs. 1 SGB II).
Dagegen hat der Kläger am 25.2.2009 Klage vor dem Sozialgerich...