Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. abschließende Entscheidung nach vorläufiger Entscheidung. Verletzung von Nachweispflichten durch den Leistungsberechtigten. angemessene Fristsetzung. Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Länge der nach § 41a Abs 3 S 3 SGB 2 zu setzenden Frist bemisst sich nach den Einzelfallumständen.

2. Eine Frist von 18 Tagen zur Vorlage von Unterlagen ist bei einem selbständigen Aufstocker unangemessen kurz.

3. Hat der Leistungsträger eine zu kurze Frist gesetzt, ist eine Entscheidung gemäß § 41a Abs 3 S 3 SGB 2 auch dann rechtswidrig, wenn bis zur Entscheidung eine angemessene Frist verstrichen ist.

 

Tenor

1. Der Bescheid vom 22.10.2019 sowie der Erstattungsbescheid vom 22.10.2019 werden aufgehoben.

2. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

 

Tatbestand

Die Klägerinnen zu 1 und zu 2, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, wenden sich gegen die Aufhebung der ihnen bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für die Zeit vom 1.11.2018 bis zum 31.3.2019 und gegen die Erstattung eines Betrages i.H.v. 7984,50 €.

Die Klägerin zu 1 ist 1969 geboren und betrieb ab August 2012 den Einzelhandel „H. Naturkost“ in B.. Die im Jahre 2003 geborene Tochter der Klägerin zu 1, die Klägerin zu 2, ist pflegebedürftig und erhält Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung nach einem Pflegegrad 4. Der Grad der Behinderung (GdB) beträgt 70. Außerdem sind die Merkzeichen G, B und H festgestellt. Sie bewohnten ein Haus mit Garten in der L.-Straße in Sch.. Die Klägerinnen, die seit 1.11.2014, nämlich nach der Scheidung der Klägerin zu 1, Leistungen vom Beklagten erhielten, wohnen zwischenzeitlich in A-Stadt, Schwarzwald.

Mit Schreiben vom 25.9.2018 wurde die Klägerin zu 1 vom Beklagten zur Mitwirkung aufgefordert, u.a. die abschließende Anlage EKS für den Zeitraum 1.8.2018 bis 31.10.2018 und die vorläufige Anlage EKS für den Zeitraum 1.11.2018 bis 30.4.2019 unter Fristsetzung zum 5.11.2018 vorzulegen. Die Klägerin zu 1 nahm am 1.10.2018 dahingehend Stellung, dass die neue vorläufige EKS die gleichen Zahlen aufweise, wie die letzte EKS. Da sie die Kopie der letzten EKS verlegt habe, bat sie ihr diese zukommen zu lassen, damit sie sie ins neue Formular eintragen könne, falls diese Bestätigung nicht ausreiche. Da sie bereits mitgeteilt habe, dass sie einige Monate mit den Kassenstreifen für das Ausfüllen des Kassenbuches für die abschließende EKS verlegt habe, bat sie um Abgabeverlängerung, da sie die Kassenstreifen noch nicht gefunden habe.

Weiter nahm sie am 20.10.2018 dahingehend Stellung, dass sie das Kindergeld, Pflegegeld und die Leistungen nach dem SGB II bisher in den Naturkostladen stecke. Trotzdem sei es wegen der Verluste knapp. Sie habe immer noch nicht die drei Monate für das Fortführen des Kassenbuches gefunden und bat um Abgabeverlängerung der abschließenden EKS bis Ende Januar 2019. Sie habe wegen der Verluste den Laden zum 31.12.2018 kündigen müssen. Beim Umzug würden die fehlenden Unterlagen wohl auftauchen. Sie werde versuchen, ab Januar noch von zu Hause aus den Laden weiterzuführen. Sie schaffe es zeitlich nicht, die EKS fertig zu stellen und den Umzug aus den Laden zum 31. Dezember durchzuführen. Ab Januar 2019 sei wegen dem Verkauf von zu Hause aus mit geringeren Zahlen zu rechnen. Außerdem würden die Stromkosten zu Hause ab Januar steigen wegen der vier Kühlschränke aus dem Laden, dem Gefrierschrank und der Beheizung der Diele. Die Vermieterin erhalte 50 € in Form von Waren als Mietzins. Die Klägerin übersandte zeitgleich die vorläufige EKS für den Zeitraum November 2018 bis April 2019. Diese wies für jeden Monat Verluste auf.

Mit Bescheid vom 29.10.2018 bewilligte der Beklagte den Klägerinnen auf ihren Antrag vom 25.9.2018 hin für den Zeitraum November 2018 bis März 2019 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 907,86 € monatlich, hiervon wurden 500 € direkt an die Vermieterin gezahlt, 62 € an die KW AG und 314 € an das Elektrizitätswerk Schö. GWS. Bei der Festsetzung des anzurechnenden Einkommens aus Selbstständigkeit habe man sich an der zuletzt eingereichten Anlage EKS orientiert. Einkommen aus Erwerbstätigkeit wurde abzüglich eines Freibetrages auf das Erwerbseinkommen in Höhe von 195,06 € angerechnet.

Hiergegen legte die Klägerin fristgerecht Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, nach der von ihr eingereichten vorläufigen EKS werde sie im streitgegenständlichen Zeitraum nur Verluste erwirtschaften. Dies sei im Bescheid vom 29.10.2018 nicht berücksichtigt. Sie bat um Neubescheidung.

Mit Änderungsbescheid vom 12.11.2018 wurde der Bewilligungsabschnitt bis zum 30.4.2018 verlängert. Ab November 2018 wurden der Vermieterin nach einem Kostenabsenkungsverfahren statt 500 € 279 € überwiesen.

Mit hausärztlichem Attest vom 16.11.2018 bescheinigte die Ärztin Schl. das aus Gründen von chronischen Erkrankungen der Klägerin zu 1 als auch ihrer Tochter ein Verbleiben in der gegenwärtigen, abgegrenzten Woh...

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